von Thyra Guenther-Lübbers
Das Sujet dieses großformatigen Bildes von Rembrandt geht auf das Alte Testament zurück. Wir sehen Simson wie er von fünf Philistern in einer Höhle zu Boden gerungen wird und eine fliehende Delilah am Ausgang der Höhle. Zunächst erschließt sich dem Betrachter die dargestellte Handlung nicht und es kommen Fragen nach dem warum und wieso auf. Diese lösen sich jedoch auf, wenn man auf die Attribute in Delilahs Händen achtet. In ihrer Linken hält sie einen blonden Haarschopf und in der Rechten eine große Schere, auf die absichtlich, um die Handlung für den Betrachter nachvollziehbar zu machen, Tageslicht fällt. Ihr Blick geht zu dem auf dem Boden liegenden Simson und drückt sowohl Mitleid als auch Schuldgefühl aus. Simson und Delilah sind ein Liebespaar gehören aber verhängnisvoller Weise zwei verfeindeten Völkern an. Simson ist ein von Gott ausgewählter und mit übermenschlichen Kräften versehender Beschützer Israels. Delilah hingegen gehört dem Volk der Philister an. Als Beweis seiner Liebe verlangt sie von Simson die Lüftung des wohlgehüteten Geheimnisses um seine Kräfte. Es sind seine Haare, ohne die Simson völlig kraftlos ist. So lässt sich der Bogen zum Gemälde schlagen. Delilah wurde von ihren eigenen
Landsleuten bestochen und hat ihren Liebsten seiner Haare beraubt. Sich ihrer Schuld bewusst will sie aus der Höhle fliehen und überlässt Simson den wütenden Philistern. Die gesamte Handlung ist derartig aufgeladen, dass sie geradezu nach Anspannung und Dynamik verlangt und es ist Rembrandt gelungen diese in sein Bild zu übertragen und den Betrachter spüren zu lassen.
Wir finden sie zum einen in der gewundenen Körperhaltung Delilahs und zum anderen in den verschiedenen Aktionen der sich angriffslustig auf Simson stürzenden Philister. Sie scheinen von der einst so unmöglich scheinenden Überwindung Simsons wie benommen und auch ein wenig überfordert zu sein. Der eine wirkt völlig hilflos unter Simson begraben, der nächste ist im Begriff Simson zu blenden und greift dabei das Messer aber an der Scheide und droht sich damit selbst zu verletzen. Der dritte wirkt unbeholfen und überfordert bei dem Versuch Simson in Ketten legen zu wollen. Die beiden übrigen Soldaten zeigen verängstigte Gestik und Mimik.
Einen fast schon krönenden Abschluss der Anspannung bildet der rechte Fuß Simsons, der im Bildzentrum und vom Tageslicht angestrahlt unter höchster Spannung von seinem Körper weggestreckt für den Betrachter sichtbar ist. Der Reiz des Bildes liegt darin, dass die ganze Geschichte von Simson und Delilah in einem Bild gezeigt wird und, dass es Rembrandt gelungen ist ein zeitloses Erschrecken im Bild hervorzurufen. Der Betrachter von damals wie von heute ist erschrocken über die rohe Gewalt, die dieses Gemälde zeigt.
Rembrandt - Die Blendung Simsons
Öl auf Leinwand, 1636, 206,0 x 276,0 cm, Städel Museum in Frankfurt