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Peter Paul Rubens - Helena Fourment „Das Pelzchen“

von Lisa Scheffert


"Das Pelzchen" - so wird das Gemälde, das Peter Paul Rubens von seiner zweiten Ehefrau Helena Fourment anfertigte genannt, eine Verniedlichung des schweren pelzigen Umhangs, der die weiblichen Konturen ihres fast nackten Körpers gerade noch so umhüllt. Doch wahrscheinlich ist es vor allem dieser Umstand, dieses „gerade so“, was den Namen rechtfertigt. Nur ein Hauch Kleidung, hier ein schwerer Pelzmantel und ein leichtes Tuch, bedeckt die ansonsten nackte Haut.

Fast den gesamten Bildgrund ausfüllend steht auf einem roten Teppich eine nahezu nackte junge Frau, die aus dem Bild heraus den Betrachter ansieht. Ihre weiße Haut hebt sich in starkem Kontrast von dem dunklen, fast tiefschwarzen Hintergrund ab. Sie ist leicht nach hinten abgewendet und steht auf ihrem linken Bein, das rechte schon leicht angehoben, als bewege sie sich, ja fast als drehe sie sich; auch die linke Seite ihres Körpers ist durch ihre Haltung und die angedeutete Bewegung nicht sichtbar, was dem Bild eine frische Dynamik verleiht. Ein dunkler, und schwerer vermutlich für Männer angefertigte Pelzmantel, reich verziert am Saum und an den Ärmeln durch hellere Ornamente, bedeckt gerade noch so die linke Schulter, einen Teil des Rückens und Gesäß sowie die Scham der jungen Frau. Sie hat ihn sich lediglich umgelegt, nicht angezogen, sodass sie ihn jetzt mit ihrer rechten Hand über ihrer linken Schulter und mit ihrer linken Hand um ihre Hüften festhält, damit er nicht auch noch den Rest ihres Körpers freigibt. Diese Haltung unterstützt die Illusion einer Drehbewegung.

Trotz dieser schamhaften Gesten blickt sie unverwandt auf den Betrachter, ein leichtes Lächeln umspielt die Lippen der jungen Frau. Ohrringe schmücken sie, und das blonde, lockige und schulterlange, offene Haar wird von einer Art weißem, dünn und kostbar aussehendem Band zurückgehalten. Der Eindruck von Kostbarkeit wird hauptsächlich erzeugt durch den riesigen Pelzmantel. Zeitgenossen wussten sicher den hohen Wert zu erkennen, denn schon früh wurde in Europa der Pelzhandel reguliert und stand oft nur ausgewählten gesellschaftlichen Gruppen besonders dem Adel zu. Rubens könnte hierdurch seinen besonderen diplomatischen Status in der europäischen Adelswelt betont haben und reiht sich so in eine vielfach praktizierte Künstler-Tradition ein.


Die dunkelbraunen, großen Augen der Frau scheinen zu funkeln, und lassen ihren Blick neugierig, fast herausfordernd-spielerisch wirken. Erzielt wird diese Wirkung durch die helleren Farbakzente in ihren Augen, die diese feucht, lebendig und jung erscheinen lassen. Ebenso den rötlich gefärbten Wangen und dem vollen Mund wird durch die Farbigkeit eine frische Jungendlichkeit verliehen. Die ebenmäßige Haut, die zart modellierten Augenbrauen, die gerade Nase und die fast ovale Form ihres Gesichtes lassen in ihrer Perfektion an eine antikische Schönheit denken. Doch der ansonsten üppige Körper entspricht ganz dem barocken Schönheitsideal.

Ihre linke Hand hält in eleganter Geste ein weißes Tuch aus Leinen sowie den Mantel, jedoch ist es kein fester Griff und man möchte meinen, dass sie bald loslässt. Von der rechten Hand sind Daumen und Zeigefinger erkennbar; der Rest der Hand verschwindet im Schatten des dunklen Hintergrundes, auch diese Geste wirkt elegant und sinnlich und hat nichts von einem festen Griff um den Mantel. Obwohl die Situation intim ist, scheint sie nicht peinlich berührt zu sein. Dies wirft die Frage auf, ob sie nun ihren Körper mit dem Pelzmantel verhüllen möchte, oder vielleicht gerade dabei ist, sich komplett zu enthüllen. Für die Enthüllungsthese spricht vor allem auch, dass der Körper durch die grellen Farben als einziger Helligkeitsträger aus dem Bild heraustritt, als würde er dem Betrachter präsentiert. Ihre Beine scheinen noch die rötliche Farbigkeit des Teppichs, auf dem sie steht, zu reflektieren. Ober- und Unterkörper sind durch den dunklen Pelzmantel deutlich voneinander getrennt.

Die Fachliteratur vergleicht Rubens Gemälde mit Tizians „Mädchen im Pelz“, deren Identität bis heute ungeklärt bleibt. Oftmals wird mit in beiden Gemälden ein Antikenzitat der Venus pudica gelesen. Diese begründete einen bestimmten Gattungszweig der Portraitmalerei, in dem es nicht auf die Funktion ankommt, an eine bestimmte Person erinnern zu müssen. Vielmehr konnten die Maler ihre Kenntnis der Antike durch ein solches Zitat raffiniert unter Beweis stellen.


Außerdem konnten durch die Untersuchung von „dem Pelzchen“ mit einem Makro Röntgen Fluoreszenz Scanner, Schichten unter der vollendeten Fassung sichtbar gemacht werden, die zeigen, dass Rubens ursprünglich eine andere Komposition geplant hatte. Es wird vermutet, dass Helena wie Tizians Mädchen als halbfiguriges Portrait dargestellt werden sollte. Diese Erkenntnisse unterstützen die vergleichende Interpretation von Rubens Gemälde mit Tizians Bild. Im Hintergrund konnte außerdem eine Brunnenarchitektur sichtbar gemacht werden, die die Portraitszene ins Freie setzt und zuerst an Badeszenen erinnert. Dies ist ein weiteres Indiz für eine mythologische Bedeutung als Antikenrezeption der Venus pudica, und macht so eine eindeutige Festlegung auf eine klare Interpretation des Gemäldes unmöglich. Rubens gelang es als ein Meister der malerischen Virtuosität, drastischer Affektstärke, des Anspielungsreichtums, und komplexer Ikonografie (die immer eine intellektuelle Herausforderung war) aus einem Portrait seiner Ehefrau viel mehr zu machen.


Vielmehr ist es das gelungene Resultat einer Herausforderung an ihn selbst, in ein persönliches Portrait ganz ohne fremden Auftrag, den Facettenreichtum, für den er so bekannt war und geschätzt wurde, aufzunehmen. Gleichzeitig antwortet er damit auf die Reaktionen seiner Zeitgenossen zur Heirat mit Helena, die dieses Bildnis als „Anlass (nahmen) sich sattsam über Erotik im Allgemeinen und das Gefühlsleben des Meisters im Besonderen auszulassen.“ (Büttner, 2007) Nach seinem Tod blieb das Gemälde im unveräußerlichem Besitz der Familie.


Literaturverzeichnis

Büttner, Nils, Rubens, (Beck'sche Reihe, 2504), München, 2007

Heijo Klein, Richard Kreidler, Akt + Aktion, der menschliche Körper in der Kunst, Siebente Jugendausstellung der Kölner Museen, Köln, 1972/73

Sabine Haag und Stefan Weppelmann (Hrsg.), Rubens' Bildnis der Helena Fourment, Die verborgenen Seiten des "Pelzchens", (Ansichtssache, #13), Wien, 2015

Traude Tannengießer, Rubens kopiert Tizian, (Habil. Schrift/ Freiburg i. Br., 1990), Freiburg, 1990

Peter Paul Rubens - Helena Fourment „Das Pelzchen“

Öl auf Eichenholz, um 1636/38, 178,7 × 86,2 × 2,5 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien, Inv. - Nr. GG 89


Tizian - Mädchen mit Pelz

1538, Öl auf Leinwand, , 95,5 × 63,7 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien


Ippolito Buzzi (Praxiteles Kopie) - Venus pudica / Knidische Aphrodite

Mamor, 16. Jahrhundert, Museo nazionale romano di palazzo Altemps, Rom


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