von Alexandra Tuschka
Dieser "Arzt" hat vor seiner Visite offenbar ein Gläschen zuviel getrunken. Seine Nase ist bereits gerötet, sein Blick ein wenig getrübt. Auch die Menschen im linken Hintergrund zeugen von der vorangegangenen feucht-fröhlichen Gesellschaft, mit der er eben noch gebechert haben könnte. Ein alter Mann - offenbar noch betrunkener - prostet den Umstehenden zu. Zwei alte Weiber lachen im Türrahmen, die Hausherrin überreicht dem Mann eine Klistierspritze. Diese wurden traditionell für Einläufe verwendet, stehen aber im Zusammenhang mit diesem Bildthema auch für das männliche Glied sowie die Ejakulation. Mit einer eindeutigen Geste zeigt die Frau dem Mann an, wie diese zu handhaben ist. Er schenkt ihr dafür ein süffisantes Lächeln.
Die Patientin - eine junge, vollschlanke Blonde - schaut schon neugierig und lüstern, und fragt sich, wann sie endlich wahrgenommen wird. Sie hat den rechten Arm lasziv nach oben gebogen, ihre Brust freigelegt und greift mit der anderen in ihren Schritt. Vorhang und Federbett machen einen gemütlichen, einladenden Eindruck. Das Hündchen, eigentlich ein Symbol für häusliche Treue, schaut ein wenig irritiert. Die Pantoffeln - ebenso ein Symbol für Häuslichkeit - sind hier ein wenig durcheinandergeraten und im buchstäblich Sinne "erschüttert" worden. Und der Nachttopf verweist, wie die Instrumente auf dem Tisch links, auf den Geschlechtsakt. Besonders pikant ist ein kleines Detail: die Knöpfe der Hose des Arztes sind bereits offen. So kann also schnell zur Tat geschritten werden, um der Dame Erleichterung zu verschaffen.
Selbstredend ist diese Genreszene von Steen mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Der "Arzt" ist hier eher als ein Quacksalber zu interpretieren, der durch seine Manneskraft die vermeintliche Krankheit der Frau heilen soll. Beide spielen also ein wenig seriöses Spiel. Eine in den Niederlanden des 17. Jahrhundert bekannte "Frauenkrankheit" war geprägt durch Apathie, Hysterie und Nervosität. Man wusste allerdings, was diesen Frauen fehlte: sie brauchten einfach ein wenig männliche Zuneigung. Viele Bilder dieser Zeit nehmen daher die Behandlungsmethode aufs Korn. Von Steen allein sind zahlreiche Bilder der "Arztvisite" bekannt, die alle "kranke", aber lüsterne Frauen zeigen, denen mit einem Schäferstündchen geholfen werden kann.
Jan Steen - Die Arztvisite
Öl auf Holz, ca. 1625 oder 1626, 45,7 x 38,1 cm, Privatsammlung
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