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Max Slevogt — Bildnis der Tänzerin Marietta di Rigardo

von John Hinnerk Pahl


In stolzer aufrechter Haltung und mit ausgebreiteten Armen windet sich die Tänzerin Marietta di Rigardo auf einem großen Orientteppich zum Takt der Musik. Rechts im Hintergrund spielt eine dreiköpfige Kapelle. Das eng anliegende Kleid umfängt die weiblichen Formen ihres Körpers. Ihr Gesicht wirkt streng und würdevoll. Erst seit drei Jahren lebt der Maler Max Slevogt damals in Berlin und ist sogleich begeistert von der lebhaften Kultur in der Hauptstadt. Löste er mit seiner Kunst in München, wo er studiert hatte, noch Skandale aus, traf er in der weltoffenen Metropole genau den richtigen Nerv. Auf der neunten Ausstellung der Berliner Sezession gelang Slevogt mit diesem Gemälde der Durchbruch. Er war nun ein gefeierter Star. Die Flüchtigkeit des malerischen Ausdrucks täuscht darüber hinweg, dass der Künstler dem großformatigen Werk mindestens acht Ölstudien vorausgehen ließ, um den gewünschten Eindruck zu erzeugen. Am ehesten im nervösen Gewirbel der Schleppe zeichnet sich die schwungvolle Körperbewegung der Tänzerin ab, deren Gesicht im Gegensatz dazu präzise ausgearbeitet ist. In einer ganzen Reihe von Skizzen hatte sich Slevogt in seiner Berliner Zeit mit der Darstellung von Tanzbewegungen befasst. Auf seinen Streifzügen durch die Theater, Opernhäuser und Kabaretts zog ihn die aus Manila stammende Marietta di Rigardo, die mit bürgerlichem Namen Marietta Trinidad de la Rosa hieß, ganz besonders in den Bann. Sie trat damals im Kabarett „Zum siebten Himmel“ auf und begeisterte das Publikum mit ihrem Flamenco.

Im Berlin der Jahrhundertwende war es üblich geworden, dass Maler, Theatermacher und Schauspieler eine überaus fruchtbare Symbiose eingingen, Künstler wie Edvard Munch und Lovis Corinth entwarfen Bühnenbilder und Kostüme. Slevogt, der selbst ein begabter Sänger und Klavierspieler war, verkehrte gern in diesen Kreisen. Tanz und Musik beflügelten seine künstlerische Phantasie. Man vermag im Geflirre der rhythmisch bewegten Farbeindrücke des Kleides beinahe den Raum und Körper durchdringenden Klang der Musik zu verspüren. Die Präsenz der Tänzerin wird überdies gesteigert durch den blau- gelben Komplementärkontrast ihres Kleides vor dem Hintergrund des in Braun-  und Ockertönen gehaltenen Bildhintergrunds.


Unter dem Schlagwort „Dreigestirn des Deutschen Impressionismus “ warb der Berliner Galerist Paul Cassirer für Max Slevogt zusammen mit Lovis Corinth und Max Liebermann. Ausgehend von seiner Münchner Ausbildung unter der drückenden Dominanz des Akademieprofessors Franz Lenbach, der Tizian, Rubens oder Velázquez gegen impressionistische Tendenzen ins Feld führte, verschrieb Slevogt sich letzteren – besonders nach seinem Fortgang nach Berlin. Im Bildnis der Marietta di Rigardo ist die Suggestion des Augenblicklichen durch einen flüchtigen Pinselstrich allerdings zugunsten der feinen Modellierung des würdevollen Gesichtsausdrucks zurückgenommen, wie es für seine Porträts üblich war. In den darauffolgenden Jahren hat Slevogt noch mehrere weitere Tänzerinnen gemalt, so Anna Pawlowa und Tilla Durieux.



Max Slevogt - Bildnis der Tänzerin Marietta di Rigardo

Öl auf Leinwand, 1904, 229 x 180 cm, Galerie Neue Meister in Dresden

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