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Gustave Courbet - Der Verzweifelte

von Alexandra Tuschka


"Im Laufe meines Lebens habe ich mich viele Male gemalt, immer dann, wenn sich meine Gemütsverfassung änderte. Kurz gesagt, ich habe die Geschichte meines Lebens geschrieben."

sagte Gustave Courbet 1854. Dieses Werk, welches „Der Verzweifelte“ genannt wird, entstand ca zehn Jahre zuvor in seinem 24. Lebensjahr. Es ist die Zeit, in welcher Courbet seinem Jura-Studium, für welches er nach Paris gezogen war, abgeschworen hatte, um sich ganz der Malerei zu widmen. Er sagte selbst, er entscheide sich für ein „Leben als Wilder“, und für "das große, unabhängige Vagabundenleben des Bohemiens". Er verbrachte in diesen Jahren viel Zeit in den Museen und studierte viele alte Meister.

Dieses frühe Selbstportrait zeigt Courbet frontal in einer klassischen Dreieckskompositon. Diese wird allerdings zu den beiden Bildrändern beschnitten. Das Gesicht ist nah an die Leinwand gerückt, die weit aufgerissenen Augen schauen uns wirr entgegen. Hübsch ist er, mit vollem Haar und Vollbart und rehbraunen Augen. Die dunklen Haare rauft sich der Mann mit beiden Händen. Das Hemd ist offen, sitzt nicht richtig, der Kragen ist schon verrutscht. Wir sehen die angespannten Muskeln, die pulsierenden Adern. Was macht den Mann denn so verzweifelt? Dass wir der Grund für seinen Unmut sein könnten, erscheint nicht wahrscheinlich. Die Augen sind nicht wach genug, fixieren uns nicht, sondern schauen vielmehr durch uns hindurch. Es wird deutlich: hier geht es um einen inneren Zustand. Das weiße Hemd und der brauner Hintergrund verraten uns weiter nichts über den Abgebildeten. Ein Lichteinfall ist deutlich von links oben zu erkennen. Wie ein Kegel erhellt dieser die linke Bildhälfte, Hände und einen Teil der Stirn. Das restliche Gesicht liegt im Schatten; zwei kleine Highlights sind in den Pupillen zu erkennen. Die harte Begrenzung eines hellen und eines dunklen Teils im Hintergrund können gemeinhin auch mit "zwei Herzen in einer Brust" - Mentalität vieler Künstler gesehen werden. Mit rot hat der Maler sein Werk - ungewöhnlich - links unten signiert.


Courbet zeigt sich hier als ein wirkliches Klischee der Romantiker: der verzweifelte Künstler, der missverstanden durch die Welt läuft und meist natürlich auch ein verkanntes Genie sein musste. Die geschundene, künstlerische Seele, die in der weniger feingeistlichen Welt keinen Platz findet. In dem gleichen Jahrzehnt entstanden noch über 20 Selbstportraits, von denen der Künstler aber an keinem so zu hängen schien, wie an diesem, welches bis zu seinem Lebensende in seinem Besitz blieb und ihn sogar ins Exil begleitete.


Zu Courbets Lebzeiten hatten die Akademien noch einen recht strengen Regelkanon, nach welchem Gemälde bewertet wurden. Courbet reichte zwar immer wieder Gemälde für die Ausstellungen des Salons ein, wollte sich aber auch nicht in seiner künstlerischen Freiheit beschneiden lassen, und vertrat die Haltung, der Staat habe sich in die künstlerischen Belange nicht einzumischen. Courbet fühlte sich den akademischen Auflagen nicht gebunden und entwickelte sich später zum Hauptvertreter des Realismus, auch seine späteren Selbstportraits zeugen von einem schonungsloseren, ungeschönten Blick auf sich selbst.



Gustave Courbet - Der Verzweifelte

Öl auf Leinwand, 1844-45, 45 x 55 cm, Privatsammlung



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