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Ary Renan – Skylla und Charybdis

von Alexandra Tuschka


Tief blau und bedrohlich bewegt ist das Meer, aus welchem sich zwei Gestalten hervortun; rechts eine schöne Frau, offenbar ein Mischwesen; und links eine Art Wirbel, kaum zu erkennen. Freilich zieht die nackte junge Dame mit ihrer lasziven Geste mehr Aufmerksamkeit auf sich als die andere Seite, die sich ja in Farbe und Form weniger absetzt. "Skylla und Charybdis", der Gemäldetitel, hilft und verrät uns, dass wir es hier mit zwei nicht zu unterschätzenden Gefahren des Meeres aus der griechischen Sagenwelt zu tun haben. Charybdis ist links zu sehen, ein gestaltloses Ungeheuer, welches mehrmals am Tag die Umgebung durch einen Sog in sich verschlingt. Skylla hingegen ist laut antikem Quelltext eigentlich ein mehrköpfiges Ungeheuer. Beide sollen sich in der Straße von Messina gegenüber voneinander aufgehalten haben und wurden bekannt, weil Odysseus ihnen bei seiner Odyssee begegnete. Dabei musste er, wie viele Seefahrer vor ihm, sich für eine Seite entscheiden. Denn die "goldene Mitte" war von beiden Ungeheuern zu erreichen. Würden Sie mit Ihrem Schiff hier durch fahren? Und wenn Sie, wie Odysseus, keine andere Wahl hätten, welche Seite würden Sie wählen?

Skylla, rechts, war einst eine schöne Frau, die aber aus Eifersucht der Zauberin Kirke verhext wurde. Da wuchsen ihr sechs Hundeköpfe und zwölf Hundepfoten. Ary Renan, ein Maler des 19. Jahrhunderts, verzichtet auf die Hunde und lässt Scylla mit einem Felsen verschmelzen. Sie soll als Ungeheuer auf dem größeren von zwei Felsen gehaust haben und alles verschlungen, was in ihre Nähe kam. Mit dieser Lösung, die ursprüngliche körperliche Form anzudeuten und dem Verzicht auf die Hundesymbolik spielt Renan womöglich zudem auf die Benennung eines Felsen an, der heute den gleichen Namen trägt. Womöglich war die reale Gefahr vor Sizilien durch diesen Felsen die Inspiration für das Ungeheuer der Mythologie.

Charybdis hingegen soll unter dem kleineren, gegenüberliegenden Felsen gelebt haben, auf dem ein einsamer Olivenbaum stand und war gestaltlos. Drei Mal am Tag sog sie das Meerwasser ein und spukte es danach brüllend wieder aus. Wer allerdings als Seefahrer in diesen Sog gelang, war verloren. Odysseus wiederum mied Charybdis, da er nachvollziehbarerweise der Meinung war, ein gestaltloses Ungeheuer sei nicht zu bekämpfen. Er kam dabei aber an Skylla zu nah heran und verlor sechs Gefolgsmänner. Was Charybdis angeht bleibt Renan dem Quelltext treu und zeigt nur die Öffnung eines Strudels.


Die vom französischen, eher unbekannten, Künstler Ary Renan gezeigte Szene weist deutlich symbolistische und phantasievolle Züge auf, entfernt sich aber von der griechischen Sage, indem die Monster harmloser dargestellt sind als in anderen, wenngleich wenigen, Werken des Themas.

Ary Renan – Skylla und Charybdis

Öl auf Leinwand, 1894, 113,5 x 154 cm, Musée de la Vie romantiqe, Paris


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