von Claire Deuticke
Diese Abbildung zeigt ein rechteckiges Holzbrett. Die einzelnen Strukturen des hellen Holzes sind sehr detailliert zu erkennen. Rote Bänder sind quer über das Brett gespannt und an den Seiten und in der Mitte mit einem Nagel an dem Holz befestigt. Sie dienen als Halterung für die mit dunkler Tinte beschriebenen, gefalteten Briefen. Einige der Briefe sind durch ein rotes Wachssiegel signiert und verschlossen. Neben ihnen schmücken außerdem eine weiße Feder sowie ein hölzerner Brieföffner das Holzbrett. Sie werden ebenso von den roten Bändern gehalten. Die Zahl 1658, vermutlich das Entstehungsjahr ausdrückend, ziert in einer kreideartigen, ungeraden Schrift den oberen Teil des Holzbrettes.
Besonders eindrücklich ist die wirklichkeitsnahe Wiedergabe der dargestellten Objekte. Die detailgetreue Wiedergabe des Holzes lassen das Werk beinahe real wirken. Diese sehr gegenständliche, beinahe illusionsartige Darstellung von Objekten ist ein typisches Charaktermerkmal der Gattung der sogenannten Trompe-l’oeil Malerei. Der Begriff stammt aus dem Französischen und bedeutet in etwa so viel wie „getäuschtes Auge“.
Werke des Tromp-l’oeil gelten als Sonderart des Stilllebens und erfuhren eine besondere Blütezeit im 17. Jahrhundert - einem Jahrhundert, das von neuen Entdeckungen, philosophischem Eifer und neuen Erkenntnistheorien geprägt wurde. Viele der großen Fragen des 17. Jahrhunderts beschäftigen sich mit dem Sehen und der Wahrnehmung. Das Auge steht hier stets im Mittelpunkt. Das Bestreben, die Natur zu verstehen und die Suche nach dem „Wahren“ wirkte sich auf die bildenden Künste aus. Durch eine technisch nahezu perfekte Malweise, versuchten die Künstler das menschliche Auge zu täuschen. Die Unterscheidung zwischen Realität und Abbild sollte schwerfallen und somit geistig herausfordern, um den Betrachter zum Nachdenken über die Wirklichkeit anzuregen.
Bestimmte Charakteristika unterscheiden die Werke des Trompe-l’oeil von den üblichen Stillleben der damaligen Zeit. Hierzu gehören unter anderem die Abbildung von naturgetreuen Maßen, ein begrenzter Raum und das Fehlen eines Horizontes. Meist wurden Alltagsgegenstände dargestellt. Besonders beliebt waren auf einem Holzbrett befestigte Briefe oder Objekte der Jagd. Um die Illusion noch überzeugender wirken zu lassen wurden, wegen des hervorspringenden Effektes, häufig rote Bänder oder Wachssiegel abgebildet.
Der Zugang zur Kunst sowie die beliebten Motive der Jagd und sogar das Lesen und Schreiben waren nicht mehr ausschließlich dem Adel vorbehalten. Durch die Darstellung von Alltagsgegenständen wurde daher eine breite Masse erreicht und für das Bürgertum zugänglich gemacht. Werke des Trompe-l’oeil wirken aufgrund ihrer Illusionshaftigkeit häufig belustigend oder gar dekorativ - der wahrhaftige Sinn wird erst beim genaueren Hinschauen deutlich.
Wallerant Vaillant - Ein Brett mit Briefen, Federmesser und Schreibfeder hinter roten Bändern
Öl auf Papier auf Leinwand gezogen, 1658, 40,5 x 51,5 cm, Gemäldegalerie Alte Meister, Dresden
Cornelis Gysbrechts - Quodlibet
Öl auf Leinwand, 1675, 41 x 34.5 cm, Wallraff-Richartz-Museum, Köln