von Alexandra Tuschka
Zu sehen ist die Taufszene Jesu Christi durch Johannes den Täufer im Jordan. Beide Männer sind dafür in den Fluss gestiegen. Johannes ist gerade dabei, ein kleines Gefäß über dem Haupt des Heilands auszuschütten. Dieser hat die Augen geschlossen und die Hände zum Gebet gefaltet. Beide Männer sind sehr schlank, Johannes drückt damit zudem sein Leben als Asket in der Wüste aus. Das Schilfkreuz ist sein angestammtes Symbol und in diesem Fall recht edel sogar golden bekrönt. Auch die Inschrift "ECCE AGNUS DEI" ist die Aufforderung an uns Betrachter, aber laut Bibel ursprünglich an das Volk gerichtet "Seht das Lamm Gottes". Johannes hat Jesus in der Bibel mit dem Lamm Gottes gleichgesetzt, dessen Opferung die Menschheit von ihren Sünden erlöst. Auch Gottvater selbst ist anwesend, genau genommen nur seine Hände. Diese entsenden den heiligen Geist in Form einer weißen Taube. Ein dunkler Raubvogel ist offensichtlich als Kontrast dazu integriert, diese flieht zu den Bäumen am rechten Bildrand. Während die Palme links für das Leben und die Erlösung steht, kann man die dichten Nadelbäume rechts als Symbol für die Dunkelheit deuten. Alle vier Figuren haben Heiligenscheine, der von Jesus ist durch ein Kreuz unterschieden. Die Engel haben keine Flügel und hüten die abgelegten Kleider Jesu.
Andrea del Verrocchio war ein sehr erfolgreicher Goldschmied und Maler mit einer großen Werkstatt. In dieser war auch der 15-Jährige Leonardo da Vinci zugegen. Man schreibt ihm, aufgrund Beschreibungen bei Francesco Alberti und Vasari, an diesem Werk die Ausarbeitung des linken Engels und Teilen des Hintergrundes zu. Das führte im Laufe der Zeit zu einer starken Gewichtung dieser Figur in der Kunstwissenschaft, die für viele Betrachter die Hochrenaissance einläutet. Die sanften Locken der Figur, das ideale Profil und die durchschimmernde göttliche Herkunft des Engels stehen dem kindlichen und etwas unbeholfen wirkendem anderen Engel direkt gegenüber. Auch verstärkt sich der Kontrast, da der rechte Knabe, wie das restliche Werk in Tempera ausgeführt wurde, Leonardos Engel aber in Öl.
Eine Anekdote, die Vasari beschreibt, besagt, dass Verrochio selbst diesen zweiten Engel gemalt habe. Nach der Betrachtung beider Engel sei er so wütend geworden, dass sein junger Schüler ihn übertroffen habe, so dass er dem Malen abschwor und sich zukünftig nur noch auf die Goldschmiede- und Bildhauerkunst konzentrierte. Sicherlich sind solche Interpretationen nicht allzu ernst zu nehmen, die überdimensionale Konzentration der Wissenschaft auf den Engel da Vincis geht natürlich mit seiner heutigen kunsthistorischen Bewertung einher. Damals war es - entgegen heutiger Sitten - nicht unüblich, dass viele Künstler in einer Werkstatt an gemeinsamen Werken arbeiten. So kann man mit gutem Gewissen behaupten, dass die göttlichen Hände und die begleitenden Lichtstrahlen von nicht allzu großer Kunstfertigkeit sind und ein wenig mit dem Stil brechen. Das Werk befand sich noch bis ins 16. Jahrhundert an seinem Ursprungsort, im Kloster San Salvi in Florenz; heute befindet es sich in den Uffizien.
Verrocchio (mit da Vinci) - Die Taufe Christi
Tempera und Öl auf Leinwand, ca. 1475, 151 x 177 cm, Uffizien, Florenz
Comentarios