von Alexandra Tuschka
Die Israeliten sind hungrig! Schon der dritte Monat ist angebrochen und die Nahrungsvorräte gehen zur Neige. Es regen sich Widerstände gegen die Führer Moses und Aaron im Volk. Gott sieht das Dilemma und sichert seine Hilfe zu. Nach einem Wachtelschwarm, der für Fleisch sorgt, findet sich am Morgen Manna auf der Erde, ein süßschmeckendes Nahrungsmittel, was die Menschen nun in Gefäßen sammeln. Doch seid bescheiden. Das, was zu viel gesammelt wird, fängt an zu stinken und zu vergammeln. Gott sichert dieses Nahrungsmittel über die gesamte Zeit zu, die das Volk in der Wüste verbringt — 40 Jahre lang. Daher ist das Motiv der «Mannalese» oder das «Mannawunder» besonders beliebt in sakralen Räumen, denn es ist ein Beispiel für die Gewissheit des göttlichen Beistandes.
Der Himmel öffnet sich und im Licht erscheint Gottvater. Sein Mannasegen erscheint hier in Form von Hostien. In der biblischen Überlieferung ist das Manna auch als «Speise der Engel» oder «Brot des Lebens» bekannt, weshalb dies hier nicht verwundert. Diese Darstellung dient womöglich auch als Vorankündigung der wundersamen Brotvermehrung oder Eucharistie.
Zwei großformatige Figuren bekränzen das Bild zu den Seiten. Sie dienen als Vermittlerfiguren und führen den Betrachterblick weiter ins Bildinnere hinein. Der Mann rechts ist niemand geringeres als Moses, der in einer expressiven Geste auf den Bildmittelpunkt deutet. Er ist an den zwei Strahlen, die seinen Kopf verlassen und sein Attribut sind, zu erkennen .Die linke Figur hat einen Weidekorb in den Händen, um das herabfallende Manna aufzufangen. Zwischen Olivenbäumen ist ein Tuch gespannt, was demselben Zweck dienen soll. Vielleicht wurde es vorher schon aufgehangen, um die Sonne abzuhalten und kann nun für den glücklich Zwischenfall zweckentfremdet werden. Die Überraschung ist geglückt! Einige Schäfer liegen noch müde und mürrisch auf den Felsen und fangen erst an zu begreifen, was hier gerade vor sich geht.
In diesem nahezu quadratischen Kunstwerk von mehr als 25 Quadratmetern ist das Wunder des Mannaregens zu sehen. Das Werk befindet sich an der Decke des «Sala Superior» der Scuola di San Rocco, die einen Zyklus von 56 Gemälden Tintorettos beherbergt.
Tintoretto - die Mannalese
Öl auf Leinwand, 1577, 550 x 520 cm, Sculoa di San Rocco in Venedig