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Sandro Botticelli - Die Verleumdung des Appelles

von Alexandra Tuschka


Obwohl der Titel es anders vermuten ließe, ist "Appelles" nicht etwas eine der 11 dargestellten Personen, sondern der Titel bezieht sich darauf, dass Botticelli hier ein antikes Werk wieder zum Leben erweckte. Dies aufgrund einer Beschreibung bei Lukian. Es ist die genaue Beschreibung eines heute verschollenen Werkes und erzählt uns darüber hinaus die interessante Geschichte zur Entstehung des Originals:


Apelles, geboren im 4. Jahrhundert vor Christus wurde zum bedeutendsten Maler der Antike. Kein einziges seiner Werke ist uns wirklich erhalten, nur literarische Zeugnisse beschreiben uns, wie diese einmal ausgesehen haben müssen. Sein Werk mit dem Titel "Die Verleumdung" entstand aus einer sehr persönlichen Erfahrung heraus. Sein Rivale Antiphilos denunzierte Appelles beim ägyptischen König Ptolemaios IV. und behauptete, dieser sei Teil einer Verschwörung. Der König glaubte die Beschuldigungen blind. Nachdem allerdings Appelles Unschuld bestätigt wurde, schenkte er ihm den Antiphilos als Sklaven. Apelles malte sein Bild als Ausdruck für seine Verachtung und womöglich auch, um das schlimme Erlebnis zu verarbeiten.

Botticelli wiederum, ein Kind der Renaissance, und damit der Epoche, die die Werke der Antike wiederentdeckte und ihnen neues Leben einhauchte, kannte die Beschreibung des Lukian von dem verschollenen Gemälde und schuf das Werk aufgrund dieser Worte neu. Schauen wir uns die einzelnen Figuren genauer an:

„Auf der rechten Bildseite sitzt ein Mann mit langen Ohren, bei denen wenig fehlt, daß man sie für Midas-Ohren halten könnte. Seine Hand ist nach der Verleumdung ausgestreckt, die aus dem Hintergrund auf ihn zukommt." - Hier wird auf König Midas, eine Figur der antiken Mythologie verwiesen, dessen Dummheit und Gier Gegenstand zahlreicher Anekdoten sind. Seine Eselsohren bekam er von Apollon, nachdem Midas in einem musikalischen Wettstreit nicht ihm mit der Lyra, sondern dem Pan mit der Flöte den ersten Platz zusprechen wollte. Der König ist hier zwar auf dem Thron, mit Zepter dargestellt, aber sein gesenkter Blick zeigt, dass er nicht richtig hinsieht. Sein ausgestreckter Arm suggeriert eine Ansprache oder Verurteilung.


" Neben ihm stehen zwei weibliche Gestalten, die ich als die Unwissenheit und das Mißtrauen ansehe." - Die zwei Frauen beugen sich von beiden Seiten zum König und bedrängen ihn körperlich. Sie ziehen gar die Ohren lang, um ihre Lügen noch besser zu platzieren.

"Von der linken Seite nähert sich ihm die Verleumdung in Gestalt eines außerordentlich reizenden, aber erhitzten und erregten Mädchens, deren Züge und Bewegungen Wut und Zorn ausdrücken: In der Linken hält sie eine brennende Fackel; mit der Rechten schleift sie einen jungen Mann an den Haaren herbei, der die Hände zum Himmel emporstreckt und die Götter zu Zeugen anruft." - Auch die "Verleumdung" ist schön und hat somit die Gabe, Menschen leicht zu blenden. Ihre Fackel steht für Wut und Hass, aber auch für die Lüge. Alles ist leicht entbrannt und dann schwer wieder zu löschen. Ihr Griff ins Haar des Jünglings zeigt ihre Überlegenheit und Macht. Der Mann hat die Hände zum Gebet gefaltet. Bei Lukian steht allerdings, dass er die Hände zum Gebet "hebe". Womöglich ist hiermit, die bis ins 14. Jh. verbreitete Orantenhaltung gemeint.


"Vor ihr her geht ein bleicher, hässlicher Mann mit stechendem Blick, der aussieht, als hätte ihn eine lange Krankheit ausgemergelt: Jeder wird in ihm den Neid erkennen." - Auch diese Figur streckt den Arm aus und doppelt so die Bewegung des Königs. Sie verbinden auch beide Gruppen kompositorisch. Er hat die Verleumdung am Handgelenk gepackt und drückt damit seine Dominanz aus. Da im Hintergrund noch die "Wahrheit" folgt, mag seine Position auch ein Versuch sein, diese zu verdecken.


"Dahinter kommen zwei weibliche Gestalten, die auf die Verleumdung einreden und sie herausputzen und zu schmücken scheinen: Diese sind (...) die Arglist und die Täuschung. Ganz hinten folgt eine trauernde Gestalt in schwarzem, zerrissenem Gewand: die Reue, die sich weinend nach rückwärts wendet und voller Scham die herannahende Wahrheit anschaut.“(1) - Dies sind die letzten beiden Figuren, welche die Komposition ein wenig auflockern. Allerdings kann man auch sagen, dass ihre Position ausdrückt, dass "Reue" und "Wahrheit" zu spät kommen. Das schwarze Mütterlein ist stark gealtert. Ihre überkreuzten Handgelenke stehen für Ohnmacht. Die Geste findet sich in der Kunst bei Figuren, denen Unrecht widerfährt und die ihre Traurigkeit so zum Ausdruck bringen. Sie schaut die Wahrheit - wie im Bedauern - an. Die Wahrheit wiederum ist nackt. Die Zeigegeste gen Himmel wird vermutlich bei Appelles nicht vorhanden gewesen sein, denn sie deutet auf Gottes gerechtes Urteil hin und ist ein typisch christliches Symbol. Während die antike Mythologie viele Götter kennt, die nicht immer gerecht waren, kennt die christliche Religion nur einen Gott, der über allem wacht und Unrecht ausgleicht.


So sind alle Figuren, bis auf den Jüngling, den man meist mit Appelles selbst gleichsetzt, allegorischer Natur. Das ganze versetzte der Italiener (hier lag keine antike Beschreibung vor) in einen Renaissance-Thronsaal mit allerhand Skulpturen und Reliefs, von denen nur wenige eindeutig identifiziert sind. Das als Strich angedeutet Meer macht deutlich, dass Botticelli sich als Landschaftsmaler keinen Namen machen wollte.


Auch Alberti hatte die "Verleumdung" des Appelles beschrieben und in seinem äußerst einflussreichen Werk "De pictura" von 1435 gelobt und Künstlern zur Nachahmung empfohlen. Ob es neben der Herausforderung, ein antikes Werk wieder neu zu schaffen, auch einen persönlichen Grund Botticellis für diese Ausarbeitung gab, ist Anlass der Diskussion. Denn das kleine Format von 62 x 91 cm deutet darauf hin, dass dieses Werk nicht öffentlich ausgestellt werden sollte, sondern eher für den Privatgebrauch geschaffen wurde. Womöglich gibt es eine biografische Parallele zu der Geschichte des Appelles, denn auch von Botticelli wissen wir, dass er 1502 anonym der Sodomie (Sex mit Tieren) angeklagt wurde. Und so verführerisch es ist, dieses Bild mit dieser Begebenheit in Verbindung zu bringen, Da dieses Werk allerdings meist auf 1494/95 datiert wird, passen die Ereignisse nicht recht zusammen.

Sandro Botticelli - Die Verleumdung des Appelles

Tempera auf Holz, 1494/95, 62 x 91 cm, Galerie der Uffizien, Florenz


Jacob Jordaens - Wettstreit von Apollon und Marsyas

Öl auf Leinwand, 1637, 180 x 270 cm, Museo del Prado, Madrid


Unbekannt - Noah in Orantenhaltung


Lukian, Calumnia 2, zitiert nach Werner Krenkel: Apelles bei Petron und Lucilius. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock. Band 17, Nummer 7/8, 1968, S. 689–695, hier S. 689 f.



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