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Peter Paul Rubens - Caritas Romana /Cimon und Pero

von Alexandra Tuschka


Ausgemergelt und schwach beugt sich der Alte zu der viel jüngeren und wohlbeleibten Dame herüber. Diese hat eine Brust entblößt und lässt den grauhaarigen Mann daran trinken. Sanft hat sie dabei einen Arm um dessen Körper gelegt. Dass dieser in einem Kerker gefangen ist, wird uns bei Betrachtung der Umgebung schnell klar. Ein Kerkerfenster mit Spinnweben ist noch links oben zu sehen; rechts Ketten, an denen die Hände des Mannes befestigt sind. Unten soll offenbar ein Haufen Stroh als Bett dienen soll. Die Mauerarchitektur vermittelt zudem den Eindruck eines kalten Verschlages. Offenbar hat der Mann hier schon eine Weile verbracht, sein Körper ist zwar noch vergleichsweise muskulös, seine Hautfarbe hat sich jedoch bereits ungesund verfärbt. Gerade im Vergleich zu dem edlen, hellen Hautton der Frau, tritt ein deutlicher Grünstich zu Tage. Rubens verlagerte beide Personen nach rechts ins Bild, eine Lichtquelle kommt von vorne rechts, außerhalb des Bildraumes.

Die hier gezeigte Geschichte ist unter dem Namen "Caritas Romana" bekannt, der "römischen Barmherzigkeit". Die anrührende Episode findet sich bei Valerius Maximus, einem römischen Schriftsteller der Antike. In der Anekdotensammlung "Factorum et dictorum memorabilium libri IX" beschreibt er Beispiele für die gute oder schlechte moralische Gesinnung. In Band 5, Kapitel 4 beschreibt er:


Ein Vater (in einer anderen Version eine Mutter) wurde in den Kerker geworfen, um dort den Hungertod zu sterben. Nur die Tochter durfte ihn besuchen, wurde aber von den Wachen stets untersucht. Lebensmittel durfte sie nicht mitbringen. Da die Frau aber selbst vor kurzem Mutter geworden war, ließ sie ihren Vater von ihrer Brust trinken und rettete ihm so das Leben. Die Wachen waren verwirrt, wie der Mann so lange vermeintlich ohne Lebensmittel überleben konnte. Schließlich erfuhren sie von dem raffinierten Trick, und sie, wie auch der Richter, wurden von dieser Kindestreue weich. Diese Tat wurde zum exemplarischen Beispiel für die aufopfernde Liebe eines Kindes zu seinen Eltern.


Diese Geschichte entwickelte sich mit der Zeit weiter, so dass die Figuren auch Eigennamen erhielten. In den meisten Fällen waren dies "Cimon und Pero". "Cimon" ist dabei der Vater, "Pero" die Mutter.

Pero wurde damit zum Beispiel guter Gesinnung, da sie hier gleichzeitig gleich drei von der Bibel erwähnte Werke der Barmherzigkeit vollbrachte:

Hungrige speisen, Durstige tränken und Gefangene besuchen.


Während diese Geschichte der Barmherzigkeit in Predigten des 17. Jahrhunderts oft mit einer Mutter-Tochter Beziehung ersetzt wurde, finden sich in der bildenden Kunst fast ausschließlich diese Vater-Tochter-Varianten. Kaum zu verkennen ist dabei die erotische Komponente, die das Bildthema pikant macht. Während Rubens in seiner Version diesen Aspekt zugunsten der Realitätsnähe eines ausgezehrten Alten unterordnet; kann man bei vielen weiteren Werken dieses Motivs das Erotische sofort erkennen. Die Heimlichkeit, wie sie bei Dirck van Baburen ausgedrückt wird, verstärkt das Verbotene des Gezeigten. Weiterhin bot sich das Bildthema an, um viel nackte Haut zu zeigen, Körper- und Blickkontakt. Manchmal sind auch die Wachen anwesend, so dass zusätzlich ein voyeuristischer Charakter ins Spiel kommt.

Peter Paul Rubens - Caritas Romana

Öl auf Leinwand, 1847, 121 x 190 cm, Musée Fabre, Montpellier


Dirck van Baburen - Cimon und Pero

Öl auf Leinwand, zwischen 1618 und 1624, 127,6 x 151,1 cm, York Art Gallery, York


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