von Alexandra Tuschka
Eine beeindruckende Beziehungslosigkeit herrscht in diesem Bild. Drei Personen, deren Blickachsen sich nicht treffen, deren Handlungen sich nicht aufeinander beziehen, drei Personen in ihren eigenen Welten. Vorne, sich bereits völlig aufgegeben, liegt Narziss. Er war ein schöner Jüngling, jedoch verschmähte er seine Verehrer aus beiden geschlechtlichen Lagern. Unter anderem die Nymphe Echo, die von den Göttern auferlegt bekam, nur noch die letzten Worte und Laute der anderen zu wiederholen. Ein Gebet der Verschmähten wurde von den Göttern erhört und die Rache war süß: durch einen Fluch sollte Narziss der gleiche Schmerz zuteil werden wie den Abgelehnten. Jedoch war sein Objekt der Begierde niemand anderes als er selbst. Als er sich eines Tages im Wasser spiegelte, verliebte er sich. Doch jedes Mal, wenn er sein Abbild küssen oder berühren wollte, verschwamm es. Narziss verzehrte sich so sehr nach seinem «Gegenüber», dass er verging und an seiner Stelle eine Narzisse wuchs. Dieser Blume wird noch heute nachgesagt, dass sie zwar hübsch aussehe, doch nicht gut rieche. So wie wir auch heute sagen: Eigenlob stinkt.
Poussin färbte vor dem eigentlichen Motiv die Malfläche komplett braun ein, was sich in diesem Werk bemerkbar macht. Das ganze findet textgetreu (nach Ovids Metamorphosen) an einem Hain statt. Naturstudien sind von Poussin zu Hauf überliefert. Auch wachsen bereits Narzissen am Kopfende. Echo schmiegt sich im Hintergrund an einen Felsen. Diese
Darstellung beruht auf der Überlieferung, dass sie sich vor Scham und Schmach über die unerwiderte Liebe in Höhlen, Felsen und Wälder zurückzog und sich ihr Körper ebenso verzehrte und schließlich auflöste, bis nur noch ihre Stimme, das Echo, zurückblieb.
Der Putto rechts hält eine Fackel. Wahrscheinlich steht diese für die unauslöschliche Liebe von Echo zu Narziss. Sein fleischlicher, rötlicher Körper könnte nicht kontrastreicher wirken im Vergleich zu dem leblosen, fahlen Körper von Narziss. Die auf dem Felsen abgelegte Kleidung mitsamt Jagdwerkzeug weisen den Berufsstand des Jünglings aus: er war Jäger.
Nicolas Poussin - Narziss und Echo
Öl auf Leinwand, um 1629–1630, 74 × 100 cm, Musée du Louvre in Paris
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