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Lovis Corinth - Salome (II. Fassung)

von Frauke Maria Petry


Das Ölgemälde von Lovis Corinth hält das Ende der Salome-Legende aus der Bibel fest: Johannes der Täufer prangert die Ehe zwischen Herodes Antipas und seiner Schwägerin Herodias an. Die Frau will den Bußprediger daraufhin ermorden lassen, doch weigert sich ihr Ehemann. Als Herodias Tochter Salome die Gäste bei Herodes Geburtstagsfeier mit einem Tanz entzückte, schwört er ihr einen Wunsch zu erfüllen. Da das Mädchen nicht weiß, was sie erbitten soll, flüstert die Mutter ihr das eigene Begehren ins Ohr; Salome wünscht sich den abgeschlagenen Kopf des Johannes. Herodes kann den Wunsch um seiner Ehre willen nicht ausschlagen und lässt Johannes köpfen. Das Bild zeigt, wie die Tänzerin Salome den Kopf des Täufers in Empfang nimmt.

Im Zentrum steht selbstbewusst mit entblößten Brüsten Salome. Von edlen Stoffen umhüllt sowie mit Blumen und Ketten geschmückt beugt sie sich nach Vorne und schaut mit fast apathischem, ruhigem Blick ins Leere. Ein Diener kniet vor ihr und stützt die Schale mit dem abgeschlagenen Haupt Johannes auf seinem Hinterkopf. Die Tochter Herodias öffnet ein Auge des präsentierten Kopfes mit ihrer ausgestreckten, rechten Hand. Die Körperhaltung der Prinzessin wirkt lasziv, während ihr Blick einen gewissen unterdrückten Ekel andeutet. Zwei weitere Männer umringen die edle Dame, kehren dem Betrachtenden aber den Rücken zu. Einer hält ein Blut verschmiertes Schwert in der Hand; zwei weitere tragen einen Leib – vermutlich der Rest des Leichnams Johannes. Hinter Salome steht eine Frau mit einem Fächer aus Pfauenfedern. Sie blickt den Betrachtenden direkt an und rückt so aus dem Bildgeschehen heraus. Sie schlägt eine Brücke zur realen Welt. Neben der vermittelnden Figur steht eine weitere Frau, die höhnisch lächelt. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um Herodias handelt. Geschickt arrangiert der Künstler alle Figuren in der ersten Bildebene und lässt dabei interessante Überschneidungen der Köpfe mit dem Rahmen zu. Ebenso verdichten sich drei Erzählebenen: der Mord mit dem Schwert, die Übergabe des Kopfes als Ende und die Verschwörung der Mutter im Hintergrund.

Die Figur der Salome ist die meist rezipierte christlich-mythologische Frauengestalt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie ist DAS Beispiel für den Bildtypus der ‚femme fatale‘ (aus dem Französischen für verhängnisvolle Frau). Wie besessen bedienen sich die Symbolisten ihrer, um die Unberechenbarkeit der Frau und Machtlosigkeit des Mannes zu thematisieren. Historisch lässt sich das beliebte Thema einerseits den emanzipatorischen Anfängen der Suffragetten einordnen. Andererseits wird in diesen Jahren eine wachsende Zahl an Prostituierten und Syphilis- Kranken in den Städten verzeichnet. Syphilis gilt damals noch als unheilbar und führt unbehandelt zum Tod.


Auch Lovis Corinth thematisiert in seinem Bild die Verbindung zwischen Verführung und Tod. Der Bildinhalt ist weniger ein Auszug aus der Salome- Legende, als vielmehr eine Parodie des Lebens. Es handelt sich hier um eine provokante und unkonventionelle Behandlung des Sujets. Bis dahin gab es keine Version der Salome, die das Sittlichkeitsgefühl derart verletzte. In der zweiten Fassung lassen sich die Dargestellten zudem identifizieren. Der Kundige erkennt die damaligen Schauspieler eines skandalösen Stückes über Salome von Oscar Wilde (1891), welches als Vorlage für die zweite Fassung von Corinth gilt. Gerade diese Tatsache macht den Unterschied zu den verträumten Darstellungen der Symbolisten aus.


Die Münchner Sezession lehnt Corinths ‚Salome‘ ab. Die Berliner hingegen sind ein Jahr später begeistert. Das Publikum der deutschen Hauptstadt hat sich an der romantisch verträumten Version der Tänzerin satt gesehen. Es verlangt geradezu nach der aggressiven Präsenz, die sich von der ursprünglichen Geschichte distanziert. Dem Gemälde ‚Salome‘ verdankt Corinth seine Berühmtheit.

Lovis Corinth - Salome (II. Fassung)

Öl auf Leinwand, 1900, 127 x 148 cm, Museum der bildenden Künste in Leipzig


Gustave Moreau - Salome

Öl auf Leinwand, 1876, 106 x 72 cm, Musée d'Orsay


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