von Alexandra Tuschka
Susanna geht mit ihren Dienerinnen in ihren Garten, um zu baden. Sie bemerkt nicht, dass sie dabei seit einigen Tagen heimlich von zwei lüsternen Richtern beobachtet wird. Gemeinsam beschließen diese, Susanna durch Erpressung sexuell gefügig zu machen. Sie nutzen die Chance, als die Dienerinnen sich entfernen, um das Tor zum Garten zu schließen und nähern sich ihr. Das gottesfürchtige Mädchen, zudem Ehefrau des angesehenen babylonischen Juden Joakim, verweigert sich jedoch den Männern. „Lieber sterbe ich als gegen Gott zu sündigen“ Sie beginnt zu schreien, doch auch die Männer beginnen die Umgebung zu alarmieren. Den Herbeieilenden erzählen sie, sie haben Susanna sich mit einem anderen Mann vergnügen sehen. Durch diese falschen Anschuldigungen wird das Mädchen zum Tode verurteilt. Dank einer göttlichen Eingebung erkennt der Jüngling Daniel, der dem Prozess beiwohnt, die wahren Schuldigen und kann die Richter durch gvoneinander etrennte Befragungen überführen. Letzlich werden diese gesteinigt.
Es war Lorenzo Lottos frühes Werk von 1517, welches eine bahnbrechende Veränderung in der Ikonographie der Susannafigur einleitete, die bis dahin meist in zyklischen Darstellung als ein Paradebeispiel für eine gottesfürchtige und ehrbare Frau diente. Hier verlieh der Maler ihr eine subtil verführerische Note. Die Nähe des Werkes zu den mittelalterlichen Zyklen ist durch zahlreiche erzählerische Momente erkennbar.
Im Hintergrund des Bildes erkennt man die Stadtarchitektur mit den weitläufigen Gärten; im Vordergrund erhält der Betrachter Einblick in das Bad. Susanna hockt in der linken, unteren Bildecke und bedeckt ihren nackten Körper notdürftig mit ihrer Kleidung. Die hier eingenommene Haltung geht auf die antike Statue der „krümmenden Venus“ zurück und sollte bis in den Barock ein Prototyp der Susanna bleiben. Die vordere Szene ist von einer Mauer beinahe hermetisch verschlossen. Diese symbolische Abgeschirmtheit steht für die Keuschheit der Dargestellten und entstammt der Marienikonographie.
Lotto bleibt hier der apokryphen Textvorlage treu. Rechts im Bild stehen die beiden Richter, die bereits ihre Anschuldigungen lauthals verkündet haben, durch das offene Tor kommen zwei weitere Männer herbeigeeilt, um dem vermeintlichen Alarm nachzugehen. Der Erzählcharakter wird durch die Schriftbänder unterstrichen, die Susanna und einer der Richter in den Händen halten.
Der Betrachterblick folgt dem klaren Erzählbogen durch das Bild: Joakims Haus im Hintergrund führt über die gut erkennbaren Wege durch die Gärten bis hin zum Bad. Während hier der vordere Mann in Rot das hilflose Mädchen noch überzeugen zu wollen scheint, unterstreicht der andere Mann bereits mit einer Zeigegeste zum Himmel seine Beschuldigungen und deutet auf die kommende Verurteilung hin. Lottos richtungsweisende Gemälde war das erste, welches die Erzählung aus dem marginalen Bereich der Kunst heraustreten ließ. Der hier angelegte Verführungscharakter verselbstständigte sich dann im 16. Jahrhundert. Zunehmend nimmt das Susannathema erotische Züge an und die Männer werden in ihrer Darstellung lüsterner und fordernder; störender narrative Elemente wurden die Gemälde entledigt.
Lorenzo Lotto - Susanna im Bade
Öl auf Leinwand, 1517, 66 × 51 cm, Galerie der Uffizien in Florenz
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