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Leonardo da Vinci - Die Dame mit dem Hermelin

von Frauke Maria Petry


Der ein oder die andere mag bei dem Anblick des Bildes in Verbindung mit seinem Titel stutzen – „Dame mit dem Hermelin“ und dennoch ist kein Mantel zu sehen? Tatsächlich ist das Kleidungsstück nach seinem Ursprung benannt. Denn die Sammlungsstücke bestehen aus zahlreichen Fellen der Hermeline. Auf dem Gemälde von Leonardo da Vinci trägt die Dame die Maderart folglich nicht um die Schultern, sondern lebendig auf dem Arm. Doch warum ausgerechnet dieses Tier? Mit Ziel gerichtetem Blick fixieren die abgebildeten Figuren ein Geschehen außerhalb des rechten Bildrandes. Vor schwarzer Kulisse setzen sich die beiden gerade durch die hellen Farbtöne leuchtend vom Hintergrund ab. Die Porzellanhaut der Dame fügt sich farblich der weißen Fläche des felligen Körpers. Ebenso elegant und zierlich wie ihre Hautfarbe schmiegt sich ihre überdimensionale Hand behutsam um die Schulterpartier des Tieres. Die Kleidung steht der Anmut von Haltung und Gestik in nichts nach. Das rot-blaue Kleid in Verbindung mit dem Haarschmuck und der Kette, welche sich in zwei Bahnen um den Hals der Protagonistin windet, zeugt von hohem sozialem Stand.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts kann die Porträtierte eindeutig identifiziert werden: Es handelt sich um Cecilia Gallerini (1473–1536) – eine gebildete Adelige, welche als junge Frau an den Mailänder Hof berufen worden ist. Der Herzog Mailands, Ludovico Sforza, hat sich in die damals 16-Jährige verliebt und sie 1489 zu seiner Geliebten gemacht. Daraufhin beauftragte er Leonardo da Vinci, ein Bild der Mätresse anzufertigen. Allerdings musste der lombardische Herzog – genannt „Il Moro“ (Der Mohr) wegen seiner dunklen Hautfarbe – aus politischen Gründen eine andere zur Gattin nehmen. Vier Monate nach der Hochzeit 1491 gebar die Geliebte jedoch den gemeinsamen Sohn, woraufhin der Herzog sie in einem Palast unterbrachte und mit dem Grafen Ludocivo Carminati de Brambilla verheiratete. Als Abschiedsgeschenk – so belegen es Briefe – erhielt Cecilia Gallerini ihr Porträt aus der Hand Leonardo da Vincis.

Das Konterfei (Abbild einer Person) aus Öl und Tempera auf Nussbaumholz gilt als eines der Meisterwerke des italienischen Künstlers. Abgesehen davon, dass es eines von gerade Mal vier Porträts von Leonardo da Vinci ist, soll es die Renaissancekunst revolutioniert haben. Seine innovative Technik des Sfumato ahmt die verschiedenen Hauttöne derart nach, dass die Abgebildete zum Leben erweckt scheint. Auch der Hintergrund, ehemals lichtdurchflutet und blau, der im 19. Jahrhundert im Auftrag der damaligen Eigentümerin Izabela Czartoryski (1746–1835) schwarz übermalt wurde, ist in der einzigartigen Maltechnik gefertigt worden. Sie entspricht dem Anspruch der Renaissance, eine Illusion natürlicher Vitalität festzuhalten.


Leonardo da Vinci bricht zudem mit der Tradition, Personen im Profil abzubilden. Indem er die Gräfin in leichter Drehbewegung zu Gunsten einer effektvollen Lichtinszenierung festhält, scheint das Bildgeschehen dynamisch und wird somit zur Darstellung einer Gemütsbewegung. All dies verleiht dem Werk, welches 1939 als Raubkunst von den Nazis über die polnischen Landesgrenzen gelangte und sich seit 2016 im Besitz des Krakauer Czartoryski-Museums befindet, eine gewisse Individualität – zu Gunsten einer ganz bestimmten Symbolik:

Dem Herzog Ludovico il Moro wurde 1488 vom neopolitanischen König der Hermelinorden verliehen, woraufhin er den neuen Beinamen „Ermellino Bianco“ erhielt. Das Bild könnte also derart gedeutet werden, dass das Tier, welches die Gräfin liebkost, der Herzog sein könnte. Andererseits steht der Mader in seinem weißen Winterfell für Reinheit und Zurückhaltung. Doch zeugt die Geburt des gemeinsamen Sohnes, dass die Beziehung zwischen dem Auftraggeber und der Dargestellten alles andere als unschuldig war. So hat Leonardo da Vinci, welcher das Tier erst in späteren Arbeitsschritten ergänzt hat, gekonnt einen Verweis auf die Liebesbeziehung zwischen den beiden Personen in das Kunstwerk eingearbeitet. Darüber hinaus ist die Maderart ebenso Schutztier der Schwangeren und der Name der Protagonistin, Gallerini, zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem altgriechischen Wort „galée“ für Wiesel. Die Symbolik scheint hier also auf mehreren Ebenen eine Botschaft des Künstlers zu sein, die der Geschichtsschreibung ebenso dienen mag wie sie einen gewissen Humor beweist.

Leonardo da Vinci - Die Dame mit dem Hermelin

Öl auf Leinwand, 1489/1490 , Krakauer Czartoryski-Museums, 54,7×40,3cm


Giovanni Ambrogio de Predis - Ludovico di Sforza

Öl auf Leinwand, Castle Trivulzio Library, Mailand


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