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Johann Heinrich Füssli (Fuseli) - Der Nachtmahr

von Alexandra Tuschka


Der erste Blick auf Füsslis berühmtes Gemälde lässt den modernen Betrachter verwundert zurück. Eine blonde Schönheit liegt regungslos und in einer Geste absoluter Hingabe auf dem Bett. Im Gegensatz zu dem schlaffen Oberkörper ist das rechte Bein noch aufgestellt. Die beiden blanken Füße werden dem Betrachter rechts präsentiert. Freilich bedient der nackte Hals, die Wehrlosigkeit der Frau und ihre offene Körperhaltung auch eine Männerphantasie. Das kleine Teufels-artige Wesen auf dem Bauch der Frau hingegen lacht hämisch auf sie herab und scheint nichts Gutes im Sinn zu haben. Zu alledem hat ein vom Wahnsinn ergriffenes Pferd den Weg ins Bild gefunden und schiebt seinen Kopf durch die schweren Vorhänge in den Bildmittelpunkt. Somit wird der vorderen Szene auch jede mögliche Intimität genommen. Auch werden hier die starken Hell-Dunkel-Kontraste, die der Künstler benutzt, besonders deutlich. Das Pferd hat – passend zum hellen Fell - ebenso weiße Augäpfel, seine Mähne wirkt durchlässig und erinnert an Rauch. Rechts im Bild auf einem kleinen Tisch liegen wenige zeitgenössische Gegenstände wie Spiegel, Ampulle und Buch. Was ist denn hier nur los?

Wir können froh sein, dass der Gemäldetitel der „Nachtmahr“ uns das skurrile gehörnte Wesen ein wenig näher bringt. Dieses Wesen entstammt der germanischen Mythologie und war für die Albträume der Menschen verantwortlich. Dafür setzte es sich auf die Brust des Schlafenden und provozierte so auch ein Druckgefühl in diesem Bereich. Der Nachtmahr war üblicherweise auf einem Pferd unterwegs, und begleitet diesen auch in allen drei Versionen des Themas bei Füssli. Ein veralteter Name des Wesens lautet „Incubus“; er wurde mitunter aber auch der „Nachtalb“ genannt, wobei die Zusammengehörigkeit des Wortes mit dem „Albtraum“ deutlich wird.


Was das Gemälde zu seiner Zeit so berühmt machte, war die Tatsache, dass hier einer Idee Ausdruck gegeben wurde. Zu dieser Zeit waren konkrete Bildthemen aus der Historienmalerei, Bibelthemen oder solche der Mythologie hoch angesehen, auch Allegorien waren anerkannt; diese Mischung aus Phantasie, Erotik, Volksglauben und Einflüssen aus Mythologien war allerdings etwas Brandneues. Daher erregte das Werk auch 1782 bei der Jahresausstellung der Royal Academy, wo es das erste Mal öffentlich gezeigt wurde, helles Aufsehen. Einerseits machte der subtil erotische Gehalt und die gruseligen Figuren den Betrachtern Unbehagen, andererseits war das Bildthema hochkreativ und eine Neuheit. In diesem Bild verschwimmen zwei Dimensionen: Traum und Wirklichkeit. Einerseits sehen wir, wie die Frau schläft und träumt, andererseits bekommen die Traumwesen reale Gestalt.


Was bewog Füssli zu diesem Werk? „The wild swiss“, wie er in der Gesellschaft genannt wurde, war ein unangepasster Geist. Als Pfarrer ausgebildet, musste er sich aufgrund eines Pamphlets gegen einen Landvogt außer Landes begeben. Auf seiner Europareise studierte er auch in Italien die alten Meister. Dort verliebte er sich auch in Anna Landholdt, die womöglich auch auf dem unvollendeten Portrait auf der Rückseite der Leinwand zu sehen ist. Einige Kunsthistoriker gehen davon aus, dass die unerwiderte Liebe zu dem Mädchen hier subtil kanalisiert wird. Er beschrieb in einem – bis heute erhaltenen Brief – „feuchte Träume“ mit diesem Mädchen; allerdings blieb sein Heiratsantrag erfolglos. Anna heiratete bald darauf einen Freund der Familie. Folgt man dieser Interpretation von H. W. Janson stelle der Dämon Füssli selbst dar. Das Thema „Traum“ und „Schlaf“ ist allerdings in Füsslis Ouevre oft anzutreffen und scheint sich nicht nur auf Frauen zu beziehen. Nichtsdestotrotz gab dieses Werk einer Untersparte einer ganzen Epoche ihren Namen: der schwarzen Romantik.



Johann Heinrich Füssli - Der Nachtmahr

Öl auf Holz, 1790, 77 x 64 cm, Privatsammlung, Goethehaus, Frankfurt a. M.

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