von Alexandra Tuschka
Sanft und mit großer Konzentration bläst ein fein zurechtgemachter Junge durch ein kleines Röhrchen eine Seifenblase. Sie ist bereits zu beträchtlicher Größe herangewachsen! Um sich zu stabilisieren hat er seinen Arm auf den Steinsims des Fensters gelegt. Hier erkennen wir die weißen Ärmel des Hemdes. Generell hat diese Jüngling viel Zeit auf sein Auftreten gelegt. Die Haare sind fein zurückgekämmt und mit einem schwarzen Band zum Zopf verknotet, jedoch umspielen zu beiden Seiten jeweils ein dickes Korkenzieher-Löckchen die Wangen. Ein anderes Kind mit ulkiger Mütze ist wohl auf die Zehenspitzen gestiegen, um das Ganze zu beobachten. Im Schatten liegt sein Gesicht; wir erkennen Augen und Nase, der Mund ist abgeschnitten. In ebensolcher Spannung hält Chardin auch den Betrachter: übertreibt der Jüngling, so zerplatzt die Blase. Lässt er sie zum rechten Zeitpunkt los, entschwindet sie in die Lüfte; wird sie zu schwer, sinkt sie zu Boden. Das Seifenglas neben dem Jungen ist noch recht voll und verrät uns, dass die beiden Jungen also noch viele Versuche starten könnten.
Chardin, ein französischer Maler des Rokoko hat mehrfach Kinder bei ihrem spielerischen Zeitvertreiben gemalt: beim Kartenspielen, beim Federballspielen oder eben - wie hier - beim damals beliebten Zeitvertreibs des Seifenblasens. Von diesem Motiv existieren nachweislich mindestens drei Versionen, die sich nur in der Wahl des Bildausschnittes deutlich unterscheiden. So sehen wir hier ein Hochformat, das den Blick auf einen Laubbaum oder - busch freigibt, der die Szene romantisch umspielt. In einer anderen Version, im Metropolitan Museum, reduzierte Chardin die Szene auf ein Quadrat und machte sie damit noch intimer. Wie ein "Zoom" im Film sind wir als Betrachter noch näher herangerückt und können die filigranen Lichtspiegelungen auf der Seifenblase lebendig werden lassen.
Inwiefern das ganze Sujet im Sinne der "Homo Bulla"- Ikonografie zu verstehen ist, bleibt fraglich. Besonders ins den Niederlanden wurden Seifenblasen und auch Seifenblasende Kinder zu einem Vanitasausdruck. Das Thema war in den holländischen Drucken des 17. Jahrhunderts beliebt, die in Frankreich weit verbreitet waren. Das Leben wurde mit einer Seifenblase gleichgesetzt, da auch dieses jederzeit enden konnte. In diesem Stich von Hendrick Goltzius sehen wir eben dieses Thema mit einem Kind, auf einem Schädel lehnend und mit Seifenblasen spielend. In diesem Fall ist wohl eher zu verstehen, dass Chardin die alltäglichen Spiele der Kinder verbildlichen wollte, wie er es auch in anderen Gemälden tat, ohne jedoch eine tiefere Sinnschicht zu implizieren. Mit solchen leichten und verspielten Motiven reiht sich der Maler gut in seine Epoche ein. Im Vergleich zu anderen seiner Rokoko-Malerkollegen blieb er dabei recht realistisch. Dennoch hält er den Betrachter hier gekonnt in der Spannung. Dieser ist aufgefordert, das Bildmotiv zu Ende zu denken.
Jean-Siméon Chardin - Seifenblasen
Öl auf Leinwand, 74,6 x 93,0 cm, ca. 1733–34, National Gallery of Art, Washington
Jean-Siméon Chardin - Seifenblasen
Öl auf Leinwand, ca. 1733–34, Metropolitan Museum of Art
Hendrick Goltzius - Homo Bulla
Kupferstich, 1594, 21,3 x 15,7 c,. Rijksmuseum, Amsterdam