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Jean-Paul Laurens - Der Heilige Johannes Chrysostomus und Kaiserin Eudoxia

von Alexandra Tuschka

Welche Szene hier zu entziffern ist, gibt uns bereits der Bildtitel preis. Rechts, auf einer einfachen Holzkanzel und in Untersicht zu sehen, befindet sich Johannes Chrysostomus, der Erzbischof von Konstantinopel im 4. Jahrhundert nach Christus. Seine Ziele der Enthaltsamkeit und Askese werden in dem einfachen weißen Umhang ausgedrückt, auch ist er haarlos, trägt außer dem Kreuz auf seiner Kleidung keine weiteren Symbole oder Schmuck. Der Kirchenmann war für seine öffentlichen Reden bekannt und dafür, dass er Missstände und Missbrauch von Autoritäten anprangerte - kirchlich, wie auch staatlich. Eine solche Szene setzte der Franzose Jean-Paul Laurens 1893 auf der Leinwand um. Der Maler war der Akademie verbunden und verbildlichte größtenteils Historiengemälde, die mitunter recht unbekannte Szenen zeigen. Dabei schaffte er es, wie hier, die Historie auf den Höhepunkt zusammenzufassen. In diesem Fall sehen wir die flehentliche Bitte des Bischofs und gegenüber die überhebliche Kaiserin auf der anderen Seite. Das Thema der Konfrontation von Kirche und Staat war auch in der Dritten Französischen Republik aktuell, so dass das Bildthema nicht zufällig gewählt wurde.

Dass die Kaiserin dem Prunk anheim gefallen ist, ist für uns unschwer zu erkennen. Sie steht auf der kaiserlichen Anhöhe in der Hagia Sophia, der Maler hat sie von einem hellen, subtilen Lichtschein umhüllt. Etwas entrückt schaut sie drein, als würde die flehentliche Bitte sie nicht betreffen oder erreichen. Der Torbogen mit Malereien, die Kronleuchter (einer fast einer Krone ähnlich) und die wertige Goldebemalung der Wände machen dein Eindruck rund. Neben der Kaiserin sitzt ihre Gefolgschaft; zwar weniger präsent, aber ebenso ignorant.


Die Komposition ist, ganz im Sinne der Akademie, wohl durchdacht. So befinden sich die verkrampften Hände des Mannes im Bildmittelpunkt. Seine vehement ausgestreckten Arme verbildlichen die Richtung seiner Worte. Er ist nur von hinten zu sehen. Das sogenannte "Profil perdu", das "verlorene Profil" zeigt uns dennoch ein deutlich schmerzverzerrtes Gesicht. Dieser Schmerz ist jedoch nur geistiger Natur; dies stilisiert den Mann zum Helden in diesem Bild. Die leichte Untersicht auf die Szene vermittelt den Eindruck, wir seien auch in der Kirche anwesend, am Fuße der Kanzel. Die Mittelachse teilt weiterhin beide Szenen deutlich ab und der Maler lässt beide Parteien sich so buchstäblich gegenüberstehen.

Viele Maler dieser Zeit verfolgten den Anspruch, Geschichte so wahrheitsgemäß wie möglich darzustellen akribisch. Der etablierte Name dieser Bewegung nennt sich heute "Historimus". Geromé, ein Zeitgenosse des Malers, studierte die Antike ausgiebig, um seine Szenen möglichst authentisch aussehen zu lassen. Auch bei seinem "Pollice verso" sehen wir die Gegenüberstellung des Kaisers mit einem Gladiatoren, der fragend zum Publikum schaut, um abzuwägen, ob der Unterlegene leben darf oder sterben muss. Da über den Moment selbst wenig bekannt ist, hat der Maler hier einen Phantasiemoment erschaffen. Dabei bemühte er sich, den Eindruck einer byzantinischen Atmosphäre zu schaffen: Mosaik, Teppich und Architektur lehnen an diese Einflüsse an. Dabei vernachlässigte Laurens die wahren Begebenheiten der Hagia Sophia.

Unsere Geschichte wird noch spannend: nach dieser Szene ließ die Kaiserin den Gottesmann im Jahre 403 verbannen. Seine feste Unterstützung im Volk ließ sie aber bald darauf zurückrudern. Sie bereitete Chrysostomus einen großen Empfang, und auch er war versöhnlich. Als kurz darauf die Kaiserin eine Statue von sich selbst vor der Hagia Sophia aufstellen wollte, weigerte sich der Geistliche, diese einzuweihen. Daraufhin wurde er im Jahre 404 aus der Kirche gezerrt und verbannt. Diese Szene zeigt der Maler Constant: die unbarmherzige Herrscherin auf ihrem Thron, auf dem Boden sitzend der gealterte Asket.


Das selten dargestellte Thema war in der Kunst durch seine krassen Gegensätze und die Idealisierung eines Mannes durchaus interessant, der ganz alleine für die "richtigen Werte" steht und sich der Ignoranz und der Missachtung der Kaiserin und ihrer Anhänger entgegenstellt.

Jean-Paul Laurens - Der Heilige Johannes Chrysostomus und Kaiserin Eudoxia

Öl auf Leinwand, 1893, 131 x 164 cm, Musée des Augustins, Toulouse


Jean-Léon Gerômé - Pollice verso

Öl auf Leinwand, 1872, 96,5 x 150 cm, Phoenix Art Museum in Phoenix


Jean-Joseph-Benjamin Constant - Eudoxia verbannt Johannes Chtysostomus

Öl auf Leinwand, 19. Jahrhundert, Standort unbekannt


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