von Alexandra Tuschka
Drei Skelette pflegen liebevoll einen Garten mit allerlei verschiedenen Pflanzen; keine davon ist wie die Anderen. Das linke Skelett gießt mit einer grünen Gießkanne ein paar kleinere Blumen in einem Kasten, das mittlere drückt eine Blume mit blauen Blüten zärtlich an seine Brust und eine weitere Figur, im Hintergrund, ist nur als Rückenansicht zu sehen. Der gesenkte Kopf lässt darauf schließen, dass auch sie sich der Pflege der Pflanzen konzentriert hingibt. Außer den drei Figuren, die in Schwarz und Weißtönen dargestellt sind, ist das gesamte Werk in ein deutliches Ockergelb getaucht, welches fast wie ein Farbfilter darüber liegt. Im Hintergrund sind Baumstämme zu sehen und ein Weg, der ins Unbekannte führt. Links ist ein weißes Handtuch aufgehängt, es verweist auf die Alltäglichkeit des Momentes.
Das wir es bei einer lebenden Skelettfigur mit dem personifizierten Tod zu tun haben, wissen wir bereits seit dem Mittelalter. Dass er sich hier in drei Figuren aufteilt ist ungewöhnlich, aber da wir uns im Jahre 1896 befinden und es mit einem symbolistischen Künstler zu tun haben, entschuldigt dies natürlich die künstlerischen Freiheit. Dieser Tod ist ungewöhnlich liebevoll dargestellt. Auch die recht naive Malweise, die stark vereinfacht, nimmt der Figur die Bedrohlichkeit. Sonst kennen wir ihn anders! So kommt er doch meist recht unbarmherzig mit Sense und Höllenaussichten ins Bild. Oft hat er auch ein blödes Timing und erinnert die Dargestellten in ihren schönsten Stunden an ihre Vergänglichkeit, wie bspw. beim Bild "Der Tanz mit dem Mädchen" vom gleichen Künstler aus dem Jahr 1899.
Generell hat der finnische Maler eine Tendenz zu morbiden Themen in seinem Werk. Den "Garten des Todes" malte er mehrfach und gab dazu selbst eine Erklärung ab: der Garten sei "der Ort, wo die Toten hingehen, bevor sie in den Himmel kommen"; also eine Art Zwischenstadium. Wenn sie dann verwelken, werden die Blumen, von denen eine jede für eine menschliche, individuelle Seele steht, endlich ins Paradies verpflanzt. Diese Idee gab es bereits in der griechischen Mythologie; in diesem speziellen Fall geht sie vermutlich zu großen Teilen auf das Märchen "Geschichte einer Mutter" von Hans Christian Andersen zurück. Hier geht es um eine Mutter, die ihr Kind verliert, und dieses im Garten des Todes aufsuchen möchte.
"Dann gingen sie in das große Treibhaus des Todes, wo Blumen und Bäume wunderbar durcheinander wuchsen. Da standen seine Hyazinthen unter Glasglocken und da standen große, baumstarke Pfingstrosen; da wuchsen Wasserpflanzen, einige recht frisch, andere kränklich, Wasserschlangen legten sich auf dieselben und schwarze Krebse klemmten sich am Stängel fest. Da standen schöne Palmenbäume, Eichen und Platanen, da stand Petersilie und blühender Thymian, jeder Baum und jede Blume hatte ihren Namen, sie waren Jeder ein Menschenleben (...)"
Das Märchen endet, indem die Mutter demütig einsehen muss, dass sie den Kreislauf des Lebens nicht aufhalten kann. Die Position der Skelette ist nicht ohne Grund gewählt: das vorderste steht seitlich zu uns, das mittlere geradeaus und das hinterste mit dem Rücken zum Betrachter. Der Zusammenhang mit dem menschlichen Lebenszyklus ist offensichtlich. Auch ziehen sie uns kompositorisch in die Tiefe. Dieses Kunstwerk lädt den Betrachter ein, über die Sterblichkeit nachzudenken, über die Schönheit der Individualität und sich nicht davor zu fürchten, was danach geschieht. Der Tod wird nicht als Gegner des Lebens, sonders als Hüter der menschlichen Seel porträtiert.
Hugo Simberg - Der Garten des Todes
1896, Aquarell und Gouache, 15,8 × 17,5 cm, Ateneum, Helsinki
Hugo Simberg - Der Tanz mit dem Tod
1899, unbekannter Standort
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