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Gustave Courbet - Die Schläferinnen – Trägheit und Wollust

von Alexandra Tuschka


In diesem speziellen Fall dürfen wir uns freuen, dass das Jahr 1988 vorüber ist und dieses Werk wieder öffentlich gezeigt werden darf. Denn als es 1872 von einem Bilderhändler ausgestellt wurde, war es Gegenstand einer polizeilichen Anzeige.


Zu sehen sind zwei schlafende, eng umschlungene schöne Frauen. Sie sind völlig nackt und entspannt. Eine junge Frau hat dunkle Haare, die andere rötliche Locken. Diese hat auch etwas hellere Haut. Beide haben es sich auf einem Bett mit weißen Laken und Kissen bequem gemacht, der Hintergrund wird von einem dunkelblauen Samtvorhang begrenzt. Links ist ein dekorativer Beistelltisch erkennbar, auf dem ein farbiger Flakon, ein kleines Gefäß, eine durchsichtige Kristallvase und eine Tasse stehen. Rechts hinten sieht man eine schmuckvolle Vase mit frischen Blumen. Die verstreuten Gegenstände - Perlen, Haarspangen und Decken - sind so angeordnet, dass sie die vorherige Liebesaktivität und die Lust der Frauen aneinander zeigen.

Neuartig war, dass der Künstler auf jegliche Legitimation für die offensichtliche, lesbische Erotikszene verzichtete. Wir haben es hier weder mit einer mythologischen noch biblischen Szene zu tun und auch keinem Historiengemälde, welches dem Werk einen erhabenen Glanz verliehen hätte. Bspw. hätte das Bildthema Diana und Calliste sehr wohl eine lesbische Liebesszene rechtfertigt. Nur die spätere Hinzufügung "Trägheit und Wolllust" suggeriert, dass wir es mit zwei Personifikation zu tun hätten. Allerdings wirkt hier keine deutlich wolllüstiger oder träger als die andere. Aber dieser Beiname verleiht dem Werk eine moralische Intention, indem er auf die vermeintlich dargestellte Lasterhaftigkeit anspielt.

Die rothaarige Frau war vermutlich Courbets Muse, die Irin Joanna Hiffernan, welche von verschiedenen Zeitgenossen Courbets auch gemalt (und geliebt) wurde. In der dunkelhaarigen wurde noch kein Modell eindeutig identifiziert.


Für seine realistische, ungeschönte Malweise wurde Courbet von den Zeitgenossen sehr kritisiert. Man empfand ihn als konfrontativ und vulgär. Dieser Kritik war es allerdings nicht gleich ausgesetzt. Es entstand, mit dem berühmten "Ursprung der Welt", als Auftragsarbeit für die Privatsammlung des türkischen Botschafters Khalil Bey in Paris. Seit 1860 lebte dieser in der Hauptstadt und stellte eine große Sammlung von Gemälden aus seinem eigenen Jahrhundert zusammen u.A. mit Werken von Delacroix, Ingres und Rousseau. Viele davon hatten erotische Motive. Die nackten, ungeschönten Körper irritierten das Publikum. Aber - wie bei fast allen Skandalen - inspirierte diese Darstellung auch andere Künstler, das Motiv wurde oft kopiert und ebnete den Weg für einen schamfreieren Umgang mit lesbischer Liebe.

Gustave Courbet - Die Schläferinnen – Trägheit und Wollust

Öl auf Leinwand, 1866, 135 × 200 cm, Petit Palais, Paris


Gustave Courbet - Jo, die schöne Irin

Öl auf Leinwand, zwischen 1865 und 1866, 55,9 x 66 cm, Metropolitan Museum of Art, New York


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