von Alexandra Tuschka
Es gehört zu den berühmtesten Gemälden der Welt, aber warum? Viel passiert hier nicht. Rechts und links flankieren zwei Figuren das Bild. In der Mitte lichtet sich der Blick; ein Fluss, eine Brücke, Mauern, Häuser und Türme sind zu sehen. Und über ihnen - aus einer bauschigen Wolke - klettert ein kurzer heller Blitz ins Bild. Daneben, recht unbeeindruckt, hat ein Storch stolz auf einem Dach Platz genommen.
Es ist vermutlich die Unmöglichkeit dieses Gemälde vollends zu entschlüsseln, was es so faszinierend macht. Sollen die Figuren „Mars und Venus“ sein, oder „Adam und Eva“? Personifikationen des aktiven und kontemplativen Lebens? Kunsthistoriker streiten sich über die Identität der beiden schon lange. Schließlich verzichtet Giorgione auf jegliche Attribute und auf die direkte Kommunikation der beiden Personen. Immerhin bestätigt der Mann der Frau ihre Anwesenheit durch einen Blick. Da Giorgione die Dame auf einer Anhöhe platziert, könnten sich beide auf Augenhöhe begegnen. Sie wiederum nimmt aus dem Bildgrund hinaus Kontakt zum Betrachter auf. Natürlich hat dieses Motiv Ähnlichkeit mit Mutter Maria und dem Jesusknaben. Das Baby will jedoch als „Jesus“ so gar nicht überzeugen, ist es doch wenig präsent und zu naturalistisch in Szene gesetzt. Die Deutung wird zusätzlich erschwert, da die Leinwand nachweislich übermalt wurde. So befand sich ursprünglich eine zweite Nackte anstelle des Mannes im linken Bildteil.
Nun – Nymphe und Zigeuner, die vier Elemente, eine Episode der Bibel, der Mythologie ? Womöglich war es nie das Ansinnen des Malers, dem Bild eine tiefere Sinnschicht zu verleihen und die Figuren dienen nur als Staffage . Wenn Giorgione gewusst hätte, wie viele Menschen sich hierüber die Köpfe zerbrechen werden, hätte er womöglich vor seinem frühen Tod noch einen kleinen Hinweis versteckt.
Giorgione - Das Gewitter
Öl auf Leinwand, um 1505, 73 x 82 cm, Galeria Dell' Academia in Venedig