von Alexandra Tuschka
Das imposante Gemälde zeigt ein überfülltes und brüchiges Floß auf dem Meer. Nicht nur das Thema ist ungewöhnlich – auch mit seiner Größendimension von mehr als 35 Quadratmetern hebt sich das Gemälde von so vielen anderen ab.
Die Männer türmen sich pyramidenförmig auf. Der oberste Mann schwenkt ein weißes Tuch und macht somit auf sich aufmerksam. Der Grund für die Hoffnung ist nur ganz klein am Horizont erkennbar – wer nicht gerade vor der riesigen Leinwand steht, muss nun die Augen zusammenkneifen. Und tatsächlich ist ein kleines Schiff zu erkennen. Nur vorn ist ein bärtiger Mann völlig unbeeindruckt von der nahenden Rettung – er trauert um den Toten zu seinen Füßen.
Kaum zu glauben, aber was der französische Maler Géricault auf die Leinwand brachte, basiert auf wahren Begebenheiten:
Im Jahr 1816 wurde die Fregatte „Medusa“ zum Senegal geschickt, um die Kolonie zu schützen. Die Medusa erlitt jedoch Schiffsbruch. Der umstrittene Kapitän de Chaumareys orndete den Bau eines Floßes an, auf dem ca. 150 Leute Platz finden sollten. Die 6 Rettungsboote, die an Bord der Medusa vorhanden waren, sollten das Konstrukt ziehen. Nach kurzer Zeit allerdings kappte man die Seile und überließ die Menschen auf dem Floß ihrem Schicksal. Schnell herrschten schreckliche Zustände, sogar von Kannibalismus berichteten zwei Überlebende später in ihrem Erfahrungsbericht. Nach zwölf Tagen wurde das Floß mit nur 15 lebenden Personen geborgen.
Die Franzosen sahen das Geschehen als „allegorie réelle“ an und setzten die „Medusa“ mit dem „Staatsschiff“ gleich. Daher wurde auch die Anspielung des Gemäldes, das Gericault vorsichtig „Szene eines Schiffsbruchs“ nannte, von den Zeitgenossen und Ausstellungsbesuchern wohl verstanden.
Théodore Géricault - Das Floß der Medusa
Öl auf Leinwand, 1818 - 1819, 491 x 716 cm, Musée de Louvre in Paris