von Alexandra Tuschka
Eine Morgenlandschaft und ein Schäfer, der kaum erkennbar an einen imposanten Baum lehnt. Schafe, die auf den ersten Blick wie Büsche wirken, grasen auf der Weide im Hintergrund. Der Blick in die weite Landschaft wird durch eine großgewachsene und Bild-dominierende Eiche im Mittelpunkt gestoppt. Am Fuße des Baumes befindet sich ein kleiner See - womöglich der Grund für die Rast des Hirten.
Den direkten Vergleich von Mensch und Natur verliert hier der Mensch. Zwergenhaft und völlig unbedeutend wirkt seine Existenz im Vergleich zu der kräftigen Eiche. Sonstiges menschliches Leben ist im Hintergrund erahnbar, da Dächer und Silhouetten von Häusern zu sehen sind - deren Existenz scheint im Vergleich zu der Natur jedoch nur temporär zu sein. Die Eiche galt dank ihres soliden Holzes schon seit dem Altertum als unverwüstlich. Sie steht als Symbol für Stärke und Lebenskraft.
Diese idyllische Weidenlandschaft wurde von Friedrich als Pendant zu einem weiteren Gemälde geschaffen, welches einen Mondaufgang am Meer zeigt. Gemeinsam sind beide Bilder als Tageszeitenzylkus zu verstehen. Doch auch die einsame Eiche selbst versinnbildlicht den stetigen Kreislauf der Natur. Am unteren Teil des Stammes finden wir junge Reben, während sich der Stamm nach oben hin verjüngt und in der Baumkrone nur abgestorbene Äste trägt.
Caspar David Friedrich - Der einsame Baum
Öl auf Leinwand, 1822, 55 x 71 cm, Alte Nationalgalerie in Berlin