von Laura Gerstmann
Jeder kennt die berühmten Straßenszenen Ernst Ludwig Kirchners. Expressiv und mit düsterer Farbigkeit stellte er das Berliner Nachtleben mit seinen Koketten, kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges, dar. Dunkle Töne, spitze Formen und heftige Kraftlinien waren nun formgebend. Mit hektischen Pinselstrichen verzahnt er die Bildmotive ineinander. Kirchner reagierte mit zunehmender Nervosität auf die Hauptstadt und das bunte Treiben in ihr.
Eines der weniger bekannten Werke aus dieser Zeit ist das Gemälde „Paar im Zimmer“. Und auch in dieser Abbildung thematisiert Kirchner die käufliche Liebe. In einem Raum, vermutlich der eines Bordells, befindet sich eine, nur in einem Negligé gekleidete, Prostituierte und der Freier. Beide Figuren erstrecken sich über den ganzen Vordergrund und lassen nur schemenhaft erkennen, was sich im Hintergrund befindet - ein runder Tisch - ein Fenster - ein Vorhang.
Ein intimer Moment, in dem erwartet wird, dass Zärtlichkeiten ausgetauscht werden. Hier jedoch nicht. Vor allem da zu dieser Zeit Prostitution in Berlin noch verboten war. Mit ihrer Körperhaltung und ihrem Blick wendet sich die Frau dem Besucher ab - den linken Arm hinter den Rücken, den Rechten zur Brust. Der Mann hingegen greift nach ihr wie nach einer Ware. Er grapscht nach ihrem Arm und zieht an ihrem Spitzennachthemd. Es entsteht ein bedrückendes Gefühl, da der Betrachter bewusst in Unwissenheit gelassen wird, was hier eigentlich passiert.
Ernst Ludwig Kirchner - Paar im Zimmer
Öl auf Leinwand, 1912, 95 x 85 cm, Albertinum, Galerie Neue Meister in Dresden
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