von Alexandra Tuschka
Die weniger bibelfesten Zeitgenossen unter uns - also vermutlich die meisten-, können bei den beiden Namensvettern der Bibel schon mal durcheinanderkommen. Daher unterscheiden sich die zwei wichtigen Figuren mit dem Namen "Johannes" durch ihre Beinamen "der Täufer" und "der Evangelist/Apostel". Manchmal findet sich für letzteren auch die Bezeichnung "der Lieblingsjünger". Obwohl Zweifel herrschen, dass der "Lieblingsjünger" und der "Evangelist" dieselbe Person gewesen sein sollen, werden sie meist gleichgesetzt und haben in der Kunstgeschichte eine gemeinsame Ikonographie. Man kann daher den "Täufer" vom "Evangelisten" an seinen Attributen recht gut unterscheiden, wie dieses Werk von El Greco anschaulich verdeutlicht. Links sehen wir den Evangelisten - einen jungen, bartlosen, blonden und blassen Jüngling in einem Gewand aus Rot und Blau. In der Hand hält er einen goldenen Kelch aus dem ein Drache emporsteigt. Zu seinen Füßen sitzt ein Adler. Ihm gegenübergestellt steht der dünne, ausgezehrte und etwas verwilderte Johannes der Täufer. Er kommt mit einem Kamelfell, einem Kreuz aus Schilf und einem Lamm ins Bild. Dieses hält die - nicht ganz zu sehende - Inschrift "Agnus Dei" (Das "Lamm Gottes"). Damit ist Jesus Christus gemeint, der des Öfteren von Johannes so bezeichnet wird. Beide Männer sind barfuß und wenden ihre Gesichter wie im Dialog einander zu. Diese Szene findet auf einem vegetationsarmen Fels statt, wir erblicken in der Ferne einige Häuser. Die Wolken ziehen sich schlierenartig durch das Bild. Sie wirken ein wenig bedrohlich.
Die linke Figur hat die Hand zum Segen erhoben und segnet den Kelch. Damit spielt er auf eine überlieferte Episode an, nach welchem Johannes dem Evangelisten einst ein vergifteter Kelch gereicht wurde. Dieser erkannte den Versuch, bekreuzigte den Kelch und trank dann aus dem Becher. Er nahm keinen Schaden. Dieser Geschichte verdankt die Figur auch ihre Verehrung als Weinheiliger. Der Adler wiederum ist das angestammte Symboltier der kanonischen Evangelisten, zu denen er zählt. Der Adler wurde Johannes neben dem Stier, dem Löwen und dem Engel zugeteilt, da sein Evangelium von einer hohen Theologie zeugt und beflügelnde Worte enthält. Johannes der Täufer wiederum lebte eine ganze Zeit lang in Askese in der Wüste, so wird er meist - wie hier - ausgemergelt und nur mit dem Kamelfell bekleidet dargestellt.
Was machen aber nun die zwei Männer gemeinsam auf einer Leinwand? Beide Figuren sind sich nicht nur wegen der Namensgleichheit hier begegnet. Während der Täufer als Vorläufer des Messias und letzter Prophet gilt und damit das Altes Testament vertritt, ist der Evangelist und Lieblingsjünger ein Vertreter des Neuen Testaments. Beide Figuren haben gemein, dass sie Jesu in ihrem Leben begegnet sind. Während der Täufer durch seine Nähe zum Alten Testament auf den Beginn allen Lebens verweist, spricht der Evangelist in seiner Apokalypse das Ende der Welt an.
Künstlerisch war diese Gegenüberstellung ebenso reizvoll. Der stark gealterte, bärtige Täufer, der durch seine Askese gezeichnete Körper werden dem schönen Jüngling mit dem bewegten Gewand gegenübergestellt. Auch die Integration der Tiere verstärkt die typenhafte und symbolische Wirkung. Bei Anthony van Dyck sind diese etwas stärker ins Geschehen integriert. So kommt der Adler dynamisch ins Bild geflogen, vermutlich, um dem Jünger das Evangelium zu diktieren. Dieser zeigt auf das dicke Buch auf seinem Schoß und unterstützt somit seine Rolle als einer der vier Schriftsteller des Neuen Testaments. Der Täufer wiederum öffnet seinen Körper verbindet in die Mitte. Das Schaf hat sich auch dort positioniert und schaut nach oben. Beide Männer stehen zwischen einer Säulenarchitektur. Die Attribute des Täufers hat er zu Boden gelegt.
El Greco - Johannes der Evangelist und Johannes der Täufer
Öl auf Leinwand, 1600 - 1610, 110 x 86 cm, Museo del Prado, Madrid
Anthoys van Dyck - Johannes der Evangelist und Johannes der Täufer
Öl auf Leinwand, 1620, Real Academia de Bellas Artes de San Fernando, Madrid