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Caspar David Friedrich - Gebirgslandschaft mit Regenbogen

von Thyra Guenther-Lübbers


Ein klassisches Caspar David Friedrich Gemälde, das uns, wie für den Künstler üblich, mit ganz viel Kraft, Romantik und emotionaler Spannung begegnet. Schnell ist man dazu geneigt sich mit der einzigen Person im Bild zu identifizieren, hat den Drang sich in sie hinein zu versetzen, was vom Künstler durchaus erwünscht ist. Als Hilfestellung dazu zeigt er die Person, ebenfalls wie in vielen seiner Werke üblich, in Rückenansicht und unterbindet durch das nicht Darstellen eines Gesichtes die Individualisierung. Aber beginnen wir am Anfang. 

Das großformatige Werk zeigt auf eine dunkle Farbpalette beschränkt den Ausschnitt einer Gebirgslandschaft mit üppiger Flora. Im Vordergrund ist eine sich scheinbar bereits in beträchtlicher Höhe befindliche Lichtung von Caspar David Friedrich angelegt worden, die den „Einstieg“ des Betrachters in das Bild erleichtert. Folgen wir unserem Blick stoßen wir auf die Seitenansicht einer männlichen Figur, deren Kleidung in äußerst auffälliger Farbgebung angelegt wurde. Der Mann, der in eine weiße Hose und ein rotes Hemd gekleidet ist, und blondes Haar hat, soll den Künstler selbst zeigen. Scheinbar achtlos hat er seinen schwarzen Hut links neben sich auf die Erde gelegt. Er lehnt auf einem Wanderstock und hält den Kopf vom Betrachter abgewandt in Richtung eines bewaldeten Abgrundes, dessen Tiefe nicht abzuschätzen ist und der in ein Tal mündet. Wie es einem Abgrund zu eigen ist, verleiht er dem Bild eine enorme Tiefe und schafft damit die Möglichkeit von mehreren Bildebenen. Gegenüber dieser Schlucht dominiert ein einzelner Berg die Bildmitte. Diesen wählte Friedrich auch in seinem wohl populärsten Werk „Wanderer über dem Nebelmeer“, das circa zehn Jahre später als das vorliegende Gemälde entstand, als dominierendes Motiv. Hinter dem, das Bildzentrum markierenden, Berg erstrecken sich weitere Hügel bis zum Horizont. An diesen schließt ein mit dichten Wolken grau verhangenes Himmelszelt an, das lediglich an einer einzigen kleinen Stelle etwas aufzureißen scheint und das die gesamte Szenerie überfängt. Quer über das Gemälde von Bildrand zu Bildrand spannte Friedrich abschließend einen Regenbogen. Ein Regenbogen, obwohl wir eine nächtliche Szene betrachten? Sehr wahrscheinlich fügte Friedrich den Regenbogen erst nachträglich in das Bild hinein und offenbart somit seine rein symbolische Daseinsberechtigung. 


Damit betreten wir nun geistig die Symbol-Welt des romantischen Malers, die ausschlaggebend ist für besagte Kraft und Spannung, die einem im ersten Moment der Betrachtung entgegentritt. Der Regenbogen steht traditionell für die Versöhnung Gottes mit den Menschen. Der Fels, an dem der als Wanderer dargestellte Friedrich lehnt, steht für den Halt durch den rechten Glauben. Der Abgrund aber, in den er schaut und in den unser Blick durch die Körpersprache der Figur geleitet wird, oder in den wir ohnehin hineinschauen, wenn wir bereits den Schritt gegangen sind uns mit der Person im Bild zu identifiziert, symbolisiert die dunklen Schicksalsschläge, die in den Untiefen der menschlichen Seele hausen. 


Im ersten Moment ist anzunehmen, dass Friedrich aus körperlicher Erschöpfung, des Aufstiegs wegen, ermattet auf seinem Wanderstock lehnt. Bei genauerem Hinsehen ist es doch aber genauso gut möglich, dass Friedrich sich, von der Last seiner Seele so schwer, auf seinen Wanderstab stützt. Diese These lässt sich biografisch untermauern. Kurz vor der Entstehung dieses Werkes verlor Caspar David Friedrich im Jahr 1809, seine geliebte Schwester, die für ihn, nach dem frühen Tod der Mutter, diese ersetzte. Es gibt Momente wie diese im Leben fast eines Jeden, die am Glauben und am Vertrauen zu Gott zweifeln lassen. Im Bild lehnt sich Friedrich gefährlich weit weg von dem, den Glauben symbolisierenden Felsen, nachdem er einen tiefen Blick in seine von Traurigkeit erfüllte Seele geworfen hat. Dennoch zeichnet über allem thronend der Regenbogen das „Happyend“ dieses Werkes ab und verdeutlicht die tiefe Überzeugung des Künstlers vom christlichen Glauben und der Hilfe Gottes mit der Mann Schicksalsschläge überwinden kann.


Verallgemeinert man das Innere des Künstlers im Bild, nimmt er sich hier dem Thema der Ehrfurcht und der Achtung des Menschen vor dem Göttlichen an, indem er die Kraft der Natur und das Zusammenspiel derer mit der menschlichen Seele darstellt. Kombiniert mit einer solch melancholischen Identifikationskraft, kann einem als Betrachter, wenn man für einen kurzen Augenblick nicht Acht gibt, schon mal ein leiser Seufzer entfahren. Im nächsten Moment darf man sich aber denken wie menschlich diese Reaktion ist und sich und der Welt ein Lächeln schenken, denn herunterziehen wollte Caspar David Friedrich seine Betrachter sicher nicht, höchstens vielleicht ihr Mitgefühl erheischen und ganz sicher Hoffnung schenken.



Caspar David Friedrich - Gebirgslandschaft mit Regenbogen

Öl auf Leinwand, ca. 1810, 70 x 102cm, Museum Folkwang in Essen

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