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Caravaggio - David mit dem Haupt Goliaths

von Alexandra Tuschka


Mit gerunzelter Stirn und nicht ohne Mitgefühl schaut der junge David auf seinen Gegner Goliath, den er soeben besiegt hat. Aus dem Bildraum heraus streckt er uns das erschreckende Gesicht entgegen. An diesem erkennen wir deutlich die tödliche Wunde auf der Stirn, verursacht durch eine Steinschleuder. Diese ist hier nicht zu sehen, vielmehr das Schwert, mit welchem David den Gegner danach köpfte. Dessen Gesichtsausdruck scheint im letzten Schrei eingefrorenen; die Innereien hängen zudem unappetitlich herunter.

Wie kam es zu dieser Situation? Zwei Völker standen im Krieg miteinander: die Israeliten, denen David und seine 8 Brüder angehörten; und die Philister, zu denen der Riese Goliath zählte. Dieser forderte die Gegner zu einem Zweikampf heraus, allerdings traute sich keiner der Anwesenden. Erst der Hirte David, der zum Lager kam, eigentlich um seinen Brüdern Proviant zu bringen, meldete sich freiwillig. König Saul zögerte, sah aber, dass der schmächtige Junge mehr Mut besaß als die Krieger und ließ sich überreden. Ohne Helm und Rüstung und nur mit einer Schleuder bewaffnet, stellte sich der Junge dem Kampf. Dafür sammelte er vorher 5 Steine. Völlig unnötig, stellte sich heraus, denn bereits der erste Stein traf den Riesen am Kopf, woraufhin dieser tot umfiel. Als die restlichen Philister das sahen, begannen sie zu fliehen. Danach köpfte David den Riesen mit dessen eigenem Schwert. Die Geschichte wird bis heute als Parabel für den Sieg des Schwächeren über einen stärkeren Gegner benutzt. Drei Mal beschäftigte sich Caravaggio mit dem Thema "David und Goliath"; dieses ist das letzte der drei und entstand im Todesjahr des italienischen Künstlers. Typisch für Caravaggio spielt er mit starken Hell-Dunkel-Kontrasten, dem sogenannten Chiaroscuro. Damit macht er die Szene viel intimer als die Bibel es beschreibt. Statt auf einem Schlachtfeld befinden wir uns in einem undefinierten Raum, der uns keine weiteren Anhaltspunkte zur Geschichte liefert. Dieser David ist von ungewöhnlich mitfühlender Regung, was bis heute Anlass zu Spekulationen bot. Caravaggios unstetes Leben wird dabei herangezogen, um verschiedene Thesen zu stützen. Caravaggio, der in seinem Leben öfter bereits Kontakt zu den Justizbehörden hatte, ermordete in einem Duell im Jahre 1606 Ranunccio Tomassoni. Er wurde verurteilt und für vogelfrei erklärt, woraufhin er seine Wahlheimat Rom verlassen musste. Nach einigen umtriebigen Jahren u. A. auf Malta und in Neapel durfte er 1610 wieder nach Rom zurückkehren. Kardinal Borghese hatte wohl eine Begnadigung erwirkt. Obwohl der Papst dieser Bitte stattgab, starb Caravaggio an einem Fieber kurz danach. Nun kommt unser Werk ins Spiel.

Vermutet wird, dass Caravaggio dieses Werk zum Kardinal Borghese in Rom schickte, um für die Ermordung an seinem Widersacher um Begnadigung zu bitten. Man geht davon aus, dass im Goliath ein Selbstbildnis des Künstlers gemeint ist. Was würde sich also besser eignen, als im buchstäblichen Sinne "den eigenen Kopf" hinzuhalten und David als Identifikationsfigur mit ein wenig Mitleid auszustatten? Die nur schwer erkennbare Inschrift auf dem Schwert H-AS OS ist eine Abkürzung des lateinischen Psalmenkommentar von Augustinus "humilitas occidit superbiam" ("Demut tötet den Stolz"). In David wird in letzter Zeit manchmal zudem ein Selbstbildnis Caravaggios in jüngeren Jahren angenommen. Dann kann man die These weiterführen, so dass Caravaggios jüngeres ich auf das ältere schaut und darüber reflektiert. Obwohl diese Idee allerhand weitere tiefenpsychologische Thesen provoziert, kann sie recht schnell mit der Beobachtung entschärft werden, dass der Maler im "Johannes dem Täufer" offenbar dasselbe Modell (einen seiner Schüler) nutzte und diesen nicht ohne homoerotische Aspekte verbildlichte. Die Aussage, dass Caravaggio sich im "David mit dem Haupt Goliaths" schonungslos zur Schau stellt und somit seine Reue ausdrückt, wird damit aber nicht geschmälert.

Caravaggio - David mit dem Haupt Goliaths Öl auf Leinwand, zwischen 1605 - 1610 (vermutl. 1610), 125 x 101 cm, Borgehse Gallery, Rom Caravaggio - Johannes der Täufer Öl auf Leinwand, 1602, 129 x 94 cm, Pinacoteca Capitolina, Rom


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