von Helen Bremm
Annibale Carracci’s bekanntes Werk Der Bohnenesser lässt uns in ein einfaches Zimmer blicken. Ein Mann mit Hemd, Weste und Strohhut sitzt an einem gedeckten Tisch und ist gerade dabei, sich einen Löffel voll Bohnen in den Mund zu schieben. Mit der anderen Hand greift er nach einem Stück Brot, das vom Laib abgebrochen auf dem Tisch liegt. Die Hand ist zum schon leicht geöffneten Mund geführt, der Oberkörper über dem Tisch nach vorne gebeugt. Carracci gelingt es so, den Moment der Handlung einzufangen. Das Gemälde wirkt wie ein moderner „Snapshot“, sehr lebendig, und zieht uns daher so in seinen Bann.
Auf dem Tisch vor dem Mann, der ein einfacher Bauer zu sein scheint, stehen neben der Schüssel mit den Bohnen ein Teller mit gebackenem Gemüse, eine Kanne und ein Glas mit Wein, daneben liegen Brot und Frühlingszwiebeln. Der Tisch ist mit einer weißen Tischdecke gedeckt.
Zunächst wirkt das Gemälde wie eine Darstellung des einfachen Bauernlebens. Doch kleine Details machen uns stutzig: die Tischdecke, die Kanne und das elegante Weinglas scheinen nicht recht zu dem bescheidenen Leben zu passen. Der Schlüssel des Rätsels ist das Fenster, durch das Licht in das sonst dunkle Zimmer fällt. Markant sticht die kreuzförmige Verstrebung des Fensters hervor, dramatisch fällt das Licht auf die Szene im Vordergrund. Das Kreuz ist der Hinweis, dass das Genre-Gemälde einem religiösen Einfluss unterliegt. Die Tischdecke und die Weinkanne sowie das gebrochene Brot symbolisieren das Abendmahl.
Annibale Carracci folgt dem Trend der Künstler seiner Zeit, vor allem in der Flämischen Malerei, religiöse Szenen in Alltags- und Genrebilder einzubinden. Das Gemälde fordert den Betrachter zu Spiritualität und Andacht auf. Der Aufforderung der post-tridentinischen Kirche folgend, erfüllt das Gemälde eine didaktische Funktion.
Annibale Carracci - Der Bohnenesser
Öl auf Holz, 1583, 57 x 68 cm, Galleria Colonna in Rom