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Albrecht Dürer - Die vier Apostel

von Alexandra Tuschka


Auf zwei gleich großen, aber separaten Bildtafeln stehen vier Männer so gedrängt, dass sie fast den ganzen Bildraum ausfüllen und auch keinen Blick in den dunklen Hintergrund erlauben. Die Symmetrie aus zwei Außenfiguren im Profil und zwei mittleren, etwas nach hinten versetzten Figuren, die wir von vorne sehen, ist nicht zu verkennen. Die Männer sind beschäftigt. Wer die Dargestellten sind, erfahren wir aufgrund ihrer zugehörigen Attribute: der linke jüngere und bartlose Mann ist der Lieblingsjünger und Evangelist Johannes. Er schaut konzentriert in seine eigene Schrift: es lassen sich erste Worte des Johannes-Evangeliums erkennen. Der bereits fast haarlose Mann dahinter ist deutlich älter. Sein Himmelsschlüssel entlarvt ihn als Petrus. Rechts nun sehen wir den Evangelisten Markus, er hat eine Papierrolle in der Hand und schaut aus dem Bildgrund heraus. Hier erkennen wir die Worte "EVANG / MARCI /CAP 1" Nur Paulus, im Profil mit weißem Gewand, Buch und Schwert zu sehen scheint uns argwöhnisch aus dem Augenwinkel anzusehen. Alle tragen sie Sandalen, die gut erkennbar unter den Gewändern hervorschauen. Die weiter unten, am Rand erwähnten Bibelzitate sind den Personen zugeordnet und räumen letzte Zweifel an der Identifikation aus.

Auf seiner Italienreise wurde Dürer von Giovanni Bellinis Triptychon der Madonna mit den vier Heiligen inspiriert. Allerdings verzichtet Dürer auf die Einfügung einer Mitteltafel und lässt die Apostel, die "Verkünder" direkter in Kontakt treten. Die Zusammenstellung genau dieser vier ist aber äußerst ungewöhnlich, da es sich weder bei allen um Evangelisten noch um Apostel handelt, sondern es sich hier um ein fiktives und repräsentatives Zusammenkommen handelt. Sie sollen, mitsamt den darunter befindlichen Bibelworten - wohlbemerkt aus der damals neuen Lutherbibel entlehnt - die "weltlichen regenten" auffordern, die Bibel zu achten und sich vor "falschen prophetten" in Acht zu nehmen.

Johann Neudörffer, ein Zeitgenosse Dürers und ebenfalls Nürnberger, erwähnte, dass in den vier Männern die Temperamentenlehre des Hippokrates, die im Mittelalter verbreitet war, zum Ausdruck käme. Man war der Auffassung, dass der Mensch aus vier Säften bestehe, deren Zusammensetzung den Charakter, aber auch die Physiognomie beeinflussten. So fällt doch auf, dass unsere Apostel von äußerst unterschiedlichem Aussehen, anderen Hautfarben und verschiedenen inneren Regungen zu sehen sind. So sehen wir Johannes (links) als jungen Mann mit sehr hoher Stirn, ernster Miene, aber milde - er wird als Sanguiniker interpretiert. Der daneben befindliche Petrus, etwas träge wirkend, soll den Phlegmatiker repräsentieren. Markus hat eine ungesunde Hautfarbe, nahezu grün, hervorstehen Augen und Zähne und wird daher mit dem Choleriker in Verbindung gebracht. Paulus entspricht mit seinem skeptischen Blick dem Melancholiker.


Dürer, ein Anhänger der reformatorischen Gedanken, die sich ab 1525 in Nürnberg offiziell durchsetzten, schenkte dieses Werk der Stadt. Er verlangte im Gegenzug, dass das Werk "bey gemainer Statt zu sein gedechtnuß zu behalten und in frembdte händt nit kommen zu lassen". Die Stadt Nürnberg bedankte sich mit einem Ehrenhonorar von 100 Gulden, welches damals eine beträchtliche Summe war. Das Werk hing nun für ca. 100 Jahre in der oberen Regimentsstube.


Maximilian von Bayern erpresste das Werk 1627 im Zuge des 30-Jährigen Krieges nach München, wo es sich auch heute noch befindet. Der Versuch aus Nürnberg, das Werk aufgrund seiner reformatorischen Inschriften für den Kurfürsten unattraktiv zu machen, scheiterte. Dieser ließ sie kurzerhand absägen ließ und zurückschickte. Erst 1922 wurde das Werk wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt.

Albrecht Dürer - Die vier Apostel

Öl auf Holz, 1526, 215 x 75 cm (jeweils), Alte Pinakothek, München


Giovanni Bellinis - Triptychon der Madonna mit den vier Heiligen

Öl auf Holz, 184 x 79 cm, 1488, Santa Maria Gloriosa dei Frari, Venedig

Foto entnommen unter den Bedingungen der CC 3.0 von Sailko


Unbekannter Künstler - Die vier Temperamente

Illustration zu J.C. Lavaters , 1778

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