von Sarah Baur
Das Gemälde war Sargents erster großer Erfolg an der Londoner Royal Academy. Im Bild sind zwei Mädchen in weißen Kleidern zu sehen, die in einem Blumengarten dort aufgehängte Papierlaternen entzünden. Sie sind umgeben von einem Meer aus Nelken, Rosen und Lilien – die ebenso im Titel genannt werden. Dieser bezieht sich auf das Stück „The Wreath“ von Joseph Mazzinghi. Die prachtvolle Dekoration des Bildgeschehens mit unzähligen verschiedenen Blumenmustern kreiert ein äußerst ästhetisches Arrangement.
Das Bild entstand im Herbst 1885 und dem darauffolgenden Sommer bei Freunden in einer Künstlerkolonie in England, nachdem Sargent einige Zeit in Frankreich verbracht hatte und sich dort oft zusammen mit Claude Monet impressionistischer Malerei gewidmet hatte. Zu dem Motiv in diesem Gemälde wurde er durch eine Bootsfahrt auf der Themse inspiriert, an deren Ufern er chinesische Laternen zwischen Blumen und Bäumen sah.
Es ging Sargent in diesem Werk vor allem darum, sowohl komplexe natürliche, als auch künstliche Lichteffekte einzufangen, daher war er bemüht, genau den richtigen Zeitpunkt der Dämmerung abzupassen. Jegliche Freizeitaktivitäten mussten dafür jeden Abend für zehn Minuten unterbrochen werden, in denen sich Sargent wortwörtlich vor die Leinwand im Garten schwang und geschwind seine Pinselstriche setzte. Das Zusammenspiel des kühlen Lichts der Dämmerung und des warmen Kerzenscheins der Laternen, der sich in den Gesichtern der Kinder, ihrer weißen Kleider und den hellen Blütenblättern widerspiegelt, macht einen stimmungsvollen und realistischen Eindruck. Sargent beweist hier seine Sensibilität für Licht und Atmosphäre und erzeugt durch die subtile Farbabstimmung ein poetisches Gesamtbild. Hier treffen ästhetische Impulse auf impressionistische Prinzipien der plein-air Malerei. Allerdings malt Sargent hier keine zufällige Szene, wie es Monet getan hätte. Stattdessen handelt es sich um ein bedächtig konzipiertes und genaustens konstruiertes Werk: die Mädchen, bei denen es sich um Polly und Dolly Barnard handelt, wählte Sargent bewusst aufgrund ihrer Haarfarbe aus. Auch die Kleider waren nach seinen Vorstellungen entworfen worden und die Blumen neu gepflanzt, bzw. nach Ende der Saison durch künstliche Blumen ersetzt worden. Trotz der Freilichtmalerei und der Konzentration auf Lichteffekte distanziert sich das Werk streng genommen aufgrund dieser sorgsamen und langen Planung vom Impressionismus. Auf Anraten von Sir Frederic Leighton, des damaligen Präsidenten der Royal Academy, wurde das Gemälde für die Tate Gallery erworben, wo es auch heute noch zu bestaunen ist
John Singer Sargent - Carnation, Lily, Lily, Rose
Öl auf Leinwand, 1885-1886, 174 x 154 cm, Tate Gallery, London