von Alexandra Tuschka
Samuel Gross, der berühmte Chirurg, hält für seine Studenten eine Vorlesung. Er scheint jedoch etwas abwesend und in Gedanken - seine Augen liegen im Dunkeln. In der Hand hält er ein blutverschmiertes Messer. Rechts neben Gross versammeln sich Männer um eine Wunde, an der sie operieren.
Alle Ärzte des Bildes sind identifiziert und jeder einzelne von ihnen hat eine persönliche oder geschäftliche Beziehungen zu Gross unterhalten. Eakins Realismus reicht sogar so weit, dass auch Studenten namentlich benannt werden konnten, die sich in den oberen Reihen befinden und das Treiben beobachten. Sie sind im Schatten gezeichnet; nur der Protokollant links im Bild sticht hervor und verbindet beide Bildgründe. Im Vordergrund sehen wir das Operationsbesteck, dessen sich die Ärzte bedienen. Im Tisch ist zudem die Signatur des Künstlers erkennbar, der sich als zeichnenden Studenten auch in die erste Reihe am linken Bildrand gesetzt hat. Nur der Patient, aus dem nekröses Gewebe entnommen wird, spielt eine Nebenrolle und bleibt anonym– von ihm ist nur der Oberschenkel zu sehen.
Die einzige Gefühlsregung der sterilen Versammlung geht von einer Frau vorn links aus - ist sie die Mutter des Unbekannten? Gross hingegen hat in seiner Darstellung durchaus etwas Teuflisches an sich. Keinerlei emphatische Verbindung zum Patienten ist erkennbar und auch die Studenten sitzen dem Geschehen eher distanziert bei.
Die Klinik Gross“ vereint die hohe Kunst des Realismus mit einem wichtigen Zeugnis der Medizingeschichte. Im Jahr 2008 brachte das Philadelphia Museum oft Art ganze 68 Mio. Dollar auf, um das Gemälde in seinen Räumlichkeiten zu behalten. Das Werk war für die Stadt von hohem symbolischen Wert, da Samuel Gross in Philadelphia seiner Professur nachgegangen war.
Thomas Eakins - Die Klinik Gross
Öl auf Leinwand, 1875, 198,12 x 243,84 cm, Philadelphia Museum of Art in Philadelphia